"Bürgerkrieg" um die Epstein-Akten: Trumps MAGA-Bewegung bröckelt

Donald Trump schien selbst erschrocken. „Was ist nur los mit meinen ,Jungs’ – und in manchen Fällen auch ,Mädels’?“, richtete sich der US-Präsident am vergangenen Wochenende auf seiner eigenen Social-Media-App Truth Social an seine aufgebrachten Anhänger. „Sie stürzen sich alle auf Justizministerin Pam Bondi, die einen FANTASTISCHEN JOB macht! Wir sind EIN Team, MAGA, und ich mag überhaupt nicht, was da gerade passiert.“

US-Justizministerin Pamela Bondi steht im Zentrum der Kritik aus den Reihen der Trump-Anhänger - weil bekannt gab, die Akten im Fall Epstein nicht veröffentlichen zu wollen.
Es brodelt im Herzen von Trumps „Make America Great Again“-Bewegung - kurz: MAGA - wie nie zuvor. Führende Lautsprecher des rechten Lagers wenden sich seit zehn Tagen offen gegen Führungspersonen der Trump-Regierung, vor allem gegen Justizministerin Bondi und FBI-Chef Kash Patel.
Einige prominente MAGA-Stimmen wagen es inzwischen sogar, den Präsidenten selbst zu kritisieren – das gab es so seit Trumps erstem Wahlsieg 2016 nicht zu beobachten.
Die Vorgeschichte: Ein selbst befeuerter Flächenbrand
Ursächlich dafür ist eine Entscheidung des Justizministeriums in der Causa um den 2019 verstorbenen US-Milliardär Jeffrey Epstein (s. Infokasten). An der Spitze seiner MAGA-Bewegung hatte Trump über Jahre Verschwörungstheorien befeuert.

Jeffrey Epstein (rechts) mit seiner ebenfalls verurteilten Lebensgefährtin Ghislaine Maxwell.
Jeffrey Epstein, ein US-Milliardär, veranstalte über Jahre mit seiner Lebensgefährtin Ghislaine Maxwell Feiern auf seiner karibischen Privatinsel. Dort sollen systematisch minderjährige Frauen zum Geschlechtsverkehr mit Gästen genötigt worden sein. Epstein starb, offiziell durch Suizid, 2019 in seiner U-Haft-Zelle.
„Kundenliste“
Epsteins Feiern sollen von etlichen Prominenten besucht worden sein. Einige Namen sind bekannt, u. a. Bill Gates sowie Prinz Andrew.
Epstein und Trump waren in den 90er- und 2000er-Jahren eng befreundet, wie viele gemeinsame Foto- und Videoaufnahmen belegen.
Im Vorjahr war es eines von Trumps zentralen Wahlkampfversprechen, den Fall noch einmal aufzurollen sowie alle Prozessakten zu veröffentlichen – und damit die Namensliste aller Personen, die mutmaßlich auf Epsteins berüchtigter Insel zu Gast waren.
Nach Trumps Wiederwahl und Amtsantritt im Jänner rührte er diese Trommel weiter, ebenso wie seine Getreuen: FBI-Chef Patel erklärte noch bei seiner Angelobung, er werde „alles in seiner Macht stehende tun, um Epsteins Gästeliste öffentlich zu machen“; Justizministerin Bondi behauptete sogar wochenlang, die „Kundenliste“ läge auf ihrem Schreibtisch.
Der Bruch: "Niemand sollte das akzeptieren"
Doch es kam bekanntlich ganz anders. Am 7. Juli beerdigte Bondis Ministerium den Fall in einer schriftlichen Erklärung. Darin heißt es, die Epstein-Akte bleibe „zum Schutz der Opfer gerichtlich versiegelt“, es gebe „keine belastende Kundenliste“, dafür aber die Bestätigung: „Epstein starb durch Suizid.“
Eine Erklärung, die das über Jahre aufgeheizte MAGA-Lager so nicht hinnahm. „Das ist eine völlige Kehrtwende zu allem, was bisher gesagt wurde. Niemand sollte das akzeptieren“, tobte die republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor-Greene, eigentlich eine Trump-Vertraute.

Die rechtsextreme republikanische Abgeordnete zum Repräsentantenhaus, Marjorie Taylor-Greene, nahm Justizministerin Bondi und FBI-Chef Patel öffentlich in die Mangel.
Sie sieht zwar weiter nur Bondi und Patel als Schuldige, andere MAGA-Stimmen scheinen durch die jüngsten Entwicklungen jedoch erstmals zu glauben, was Trumps ehemaliger Berater Elon Musk diesem vor Kurzem an den Kopf warf: Dass Trump selbst in den Epstein-Akten vorkommt.
Die Bromance: "Wir haben Dinge gemeinsam, Jeffrey"
Zumindest die enge Freundschaft der beiden Unternehmer ist durch unzählige gemeinsame Aufnahmen aus den 1990er- und 2000er-Jahren belegt. Der heutige Präsident kommt dabei gar nicht gut weg. Unter anderem sagt er in einem Video, Epstein möge junge Frauen „fast so sehr wie ich“.
Erst am Donnerstag veröffentlichte das Wall Street Journal (WSJ) eine Geburtstagskarte, die Trump angeblich im Jahr 2003 für Epstein geschrieben haben soll. Darauf steht: „Wir haben Dinge gemeinsam, Jeffrey“, sowie: „Geheimnisse altern nie, ist dir das schon aufgefallen?“
Trump reagierte via Truth Social: Er habe dem Milliardär Rupert Murdoch, zu dessen Medienimperium das WSJ gehört, gesagt, „dass er diese Fake-Geschichte nicht drucken soll. Er hat es trotzdem getan – und jetzt werde ich seinen Ar*** verklagen.“
Seither entbehrt Trumps Kommunikationslinie jeder Logik. Mal spielt er die Bedeutung der Causa herunter („Redet ihr wirklich noch immer über Epstein?“), dann behauptet er, die Akten seien von Demokraten-Größen wie Barack Obama oder Hillary Clinton „gefälscht“ worden.
Die Folgen: Republikaner fordern Freigabe der Akten
Inzwischen scheint Trumps eigene Partei auf die öffentliche Stimmung zu reagieren. Wie die New York Times berichten, bereiten sich einige Republikaner im Repräsentantenhaus darauf vor, das Justizministerium gemeinsam mit den Demokraten aufzufordern, die Epstein-Akten zu veröffentlichen.
Angeführt werden die Querulanten ausgerechnet vom republikanischen Fraktionschef Mike Johnson, den Trump selbst installiert hatte.

Mike Johnson, Vorsitzender der republikanischen Mehrheit im US-Repräsentantenhaus, fordert ebenfalls die Freigabe der Epstein-Akten von Trumps Justizministerium.
Trump reagierte noch am Freitag mit einem Gegenangebot: Er habe Justizministerin Bondi angeordnet, zumindest „alle relevanten Zeugenaussagen“ des Geschworenenprozesses im Fall Epstein zu veröffentlichen. Ob das reicht, um das Feuer im eigenen Lager noch einzufangen?
Aussagen wie jene von Fox-Moderator Tucker Carlson, der noch im Vorjahr Trumps Wahlkampf unterstützte, lassen nicht darauf schließen: „Wir dürfen uns damit nicht zufrieden geben!“
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