Geheime Unterlagen in US-Politikerhäusern: Schlampigkeit oder Diebstahl?
Jimmy Carter schied vor gut 42 Jahren aus dem Weißen Haus aus. Der mit 98 Jahren älteste noch lebende US-Präsident könnte trotzdem demnächst ins Blickfeld geraten. Nämlich dann, wenn die Frage auf die Spitze getrieben werden sollte, wer – nach Donald Trump, Joe Biden und Mike Pence – aus der ersten Reihe amerikanischer Politik womöglich noch geheime Dokumente daheim hat, die normalerweise im National-Archiv sein sollten.
Aufregung im Kongress
In dieser Woche musste Ex-Präsident Trumps Vize Pence einräumen, sensible Papiere unsachgemäß gelagert zu haben. Im Kongress in Washington platzte daraufhin einigen der Kragen. Es gebe ein systematisches Problem mit früheren Präsidenten und deren Vertretern, meinte etwa der demokratische Abgeordnete Ada Schiff und forderte: „Wir brauchen eine Überprüfung, was genau geschieht, wenn jemand die höchsten Staatsämter verlässt.“
George W. Bush, Bill Clinton und Barack Obama, die anderen noch lebenden ehemaligen US-Präsidenten, ließen bereits erklären, dass sie sämtliche präsidialen Aufzeichnungen und Dokumente ordnungsgemäß übergeben hätten. Auch Dick Cheney, Bushs Vize, signalisierte: Ich habe nichts. Offen bleibt, ob das nachträglich verifiziert wird. Und von wem.
Experten und selbst die Koordinatorin sämtlicher US-Geheimdienste, Avril Haines, halten das Problem teilweise für hausgemacht. Demnach hat Amerika es sinngemäß mit einem aus dem Ruder gelaufenen System zu tun. Zu viele Personen hätten Einsicht in sensible Staatsdokumente. Zudem würden zu viele Unterlagen als geheim eingestuft und nicht beizeiten freigegeben.
Fälle unterschiedlich
Laut Matthew Miller, früher im Justizministerium, sind diese Umstände der Grund für den „unbeabsichtigt falschen Umgang“ mit den Dokumenten. Miller und andere Experten ziehen eine klare Linie zwischen dem – bisher – mehr nach Schlampigkeit aussehenden Funden bei Pence sowie dem amtierenden Biden einerseits und dem strafrechtlich untersuchten Dokumenten-Diebstahl von Trump andererseits. Der Republikaner hatte sich über Monate geweigert, Papiere aus seinem Privat-Domizil Mar-a-Lago herauszugeben.
Eine wichtige Einschränkung gilt aber: Was genau in den Dokumenten all dieser Politiker steht, bleibt der Öffentlichkeit nach wie vor verschwiegen – aus Geheimhaltungsgründen. Denn die Informationen, um die es geht, könnten die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten gravierend gefährden – beispielsweise könnten verdeckte Geheimdienst-Operationen im Ausland auffliegen.
Das Murren im Kongress über die scheibchenweise bekannt werdenden Verfehlungen aus dem Klub ehemaliger und amtierender Präsidenten ist ja auch deshalb so laut, weil selbst ausgesuchte Abgeordnete lediglich unter strenger Aufsicht und für kurze Zeit Einsicht in solche top-geheimen Dokumente bekommen.
Dass Trump, Biden und Pence die offenbar nicht akribisch registrierten Papiere leicht in die Hände bekommen und teilweise über Jahre aufbewahren konnten, fuchst die Parlamentarier daher über alle Maßen.
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