26 österreichische Top-Diplomaten fordern Sanktionen gegen Israel

Benita Ferrero-Waldner
Zusammenfassung
- Ex-Außenministerin Ferrero-Waldner und 25 Top-Diplomaten fordern von Österreich konkrete Maßnahmen wie die Suspendierung des EU-Israel-Abkommens, Waffenembargo und Sanktionen im Gaza-Krieg.
- Die Diplomaten betonen Österreichs besondere Verantwortung als UNO-Sitzstaat und mahnen, dass Verstöße gegen das Völkerrecht nicht widerspruchslos hingenommen werden dürfen.
- Sie verlangen, dass Europa mehr Druck für einen nachhaltigen Waffenstillstand und die Freilassung aller Geiseln ausübt, da Worte allein nicht ausreichen.
Ex-Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (ÖVP), ihr Vorgänger Peter Jankowitsch (SPÖ), Ex-Staatssekretär Wolfgang Waldner (ÖVP) und 23 weitere Top-Diplomaten haben Österreich aufgefordert, kritischen Worten im Gaza-Krieg auch Taten folgen zu lassen.
"Die Suspendierung des EU-Israel Assoziationsabkommens und von Förderprogrammen, sowie die Verhängung von Handelsbeschränkungen sollte ernsthaft vorangetrieben werden", heißt es in einem der APA vorliegenden offenen Brief.
"Es ist höchste Zeit, dass sich auch Österreich auf die Seite der überwältigenden Mehrheit der Weltgemeinschaft stellt, um das unerträgliche Leiden in Gaza zu beenden und endlich eine Freilassung der verbliebenen Geiseln aus den Händen der Hamas zu bewirken", schreiben die Diplomaten, darunter die aktuelle Botschafterin in Libyen, Barbara Grosse, ihre Kollegin in Jordanien, Marieke Zimburg, sowie die Sonderbeauftragte für den Westbalkan im Außenministerium, Ulrike Hartmann.
Weitere prominente Unterzeichner sind die ehemaligen Internationalen Vertreter in Bosnien, Wolfgang Petritsch und Valentin Inzko, der einstige EU-Botschafter Hans-Dietmar Schweisgut sowie die frühere Botschafterin in Washington, Eva Nowotny.
"Auf Worte müssen jetzt dringend Taten folgen", verlangen zehn Frauen und 16 Männer. Sie berufen sich in ihrem Schreiben auch auf einen offenen Brief von 209 Ex-EU-Beamtinnen und -Beamten, die eine Umsetzung in bewaffneten Konflikten weltweit üblicher Schritte gefordert hätten. "Allen voran ein umfassendes Waffenembargo und Sanktionen gegen jene, die Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen oder diese unterstützen." Grosse betonte auf APA-Nachfrage, dass sich die Forderung nach diesen Maßnahmen auch auf Israel beziehe.
Österreich als UNO-Sitzstaat mit besonderer Verantwortung
"Die Weltgemeinschaft beobachtet in Gaza in Echtzeit eine Erosion der regelbasierten Nachkriegsordnung: Den Einsatz von Hunger als Kriegswaffe, die völlige Zerstörung der zivilen Infrastruktur, die gezielte Tötung von Zivilistinnen und Zivilisten, von medizinischem Personal, von Journalistinnen und Journalisten", kritisieren die Diplomaten. "Unzählige Überlebende, aber auch israelische Soldaten berichten von systematischen Kriegsverbrechen."
Mitglieder des UNO-Menschenrechtssystems und der internationalen Strafjustiz würden verleumdet und eingeschüchtert, anerkannte Hilfsorganisationen diskreditiert, heißt es in dem Schreiben weiter. "Die israelische Führung propagiert mittlerweile offen die gewaltsame Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung - wodurch sich Israel zum Paria-Staat machen würde."
Die Diplomatinnen und Diplomaten argumentieren, dass Österreich ein unmittelbares und existenzielles Interesse an der Aufrechterhaltung des Völkerrechts habe. "Ob in der Ukraine oder in Gaza: Wer gröbste Verletzungen des humanitären Völkerrechts in einem Fall widerspruchs- und tatenlos hinnimmt, kann dessen Anwendung anderswo nicht glaubwürdig einfordern", mahnen sie. Zudem habe Österreich als UNO-Sitzstaat und Kandidat für einen Sitz im UNO-Sicherheitsrat eine besondere Verantwortung.
"Europa muss endlich Druck aufbauen"
Dass Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos) im Juli einen gemeinsamen Aufruf von 30 Außenministerinnen und Außenministern für ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen unterzeichnet habe, sei "ein innenpolitisch nicht unumstrittener und anerkennenswerter Schritt" und ein "wichtiges Signal einer kohärenten völkerrechtstreuen Positionierung Österreichs" gewesen, betonen die Diplomatinnen und Diplomaten.
"Wohlgemeinte Worte bleiben jedoch wirkungslos, wenn ihnen keine entsprechenden Taten folgen. Europa muss endlich Druck aufbauen in Richtung eines nachhaltigen Waffenstillstands und der Freilassung aller Geiseln, gefolgt von der Wiederaufnahme glaubwürdiger und ergebnisorientierter Friedensverhandlungen."
Gaza: Auf Worte müssen dringend Taten folgen
Ein Appell österreichischer Diplomat:innen an die Bundesregierung
Die humanitäre Apokalypse in Gaza wird von den Vereinten Nationen, Hilfsorganisationen, und selbst dem sonst verschwiegen arbeitenden Roten Kreuz bestätigt: Mehr als eine halbe Million Menschen sind am Verhungern. Unzählige Überlebende, aber auch israelische Soldaten berichten von systematischen Kriegsverbrechen. Jene Narrative, die trotz umfangreich vorhandenen Dokumentationsmaterials die abscheulichen Verbrechen der Hamas und den Massenmord an der Zivilbevölkerung in Gaza leugnen, sind menschenverachtend und unehrlich.
Die Weltgemeinschaft beobachtet in Gaza in Echtzeit eine Erosion der regelbasierten Nachkriegsordnung: Den Einsatz von Hunger als Kriegswaffe, die völlige Zerstörung der zivilen Infrastruktur, die gezielte Tötung von Zivilistinnen und Zivilisten, von medizinischem Personal, von Journalistinnen und Journalisten. Mitglieder des UNO-Menschenrechtssystems und der internationalen Strafjustiz wurden über die beiden letzten Jahre verleumdet und eingeschüchtert, anerkannte Hilfsorganisationen wurden diskreditiert. Die israelische Führung propagiert mittlerweile offen die gewaltsame Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung - wodurch sich Israel zum Paria-Staat machen würde.
Österreich und andere europäische Staaten haben ein unmittelbares und existenzielles Interesse an der Aufrechterhaltung des Völkerrechts. Ob in der Ukraine oder in Gaza: Wer gröbste Verletzungen des humanitären Völkerrechts in einem Fall widerspruchs- und tatenlos hinnimmt, kann dessen Anwendung anderswo nicht glaubwürdig einfordern. Als Sitzstaat der Vereinten Nationen trifft unser Land, das überdies für den UNO-Sicherheitsrat kandidiert, eine besondere Verantwortung. Am 21. Juli forderten daher 30 Außenministerinnen und Außenminister unmissverständlich ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen und die Wiederherstellung der Versorgung des Gazastreifens. Die Mitunterzeichnung durch Außenministerin Beate Meinl-Reisinger, ein innenpolitisch nicht unumstrittener und anerkennenswerter Schritt, war ein wichtiges Signal einer kohärenten völkerrechtstreuen Positionierung Österreichs.
Wohlgemeinte Worte bleiben jedoch wirkungslos, wenn ihnen keine entsprechenden Taten folgen. Europa muss endlich Druck aufbauen in Richtung eines nachhaltigen Waffenstillstands und der Freilassung aller Geiseln, gefolgt von der Wiederaufnahme glaubwürdiger und ergebnisorientierter Friedensverhandlungen. Jeder Tag bringt neues Leid und lässt die Perspektive für eine friedliche Zukunft für beide Völker, dreißig Jahre nach den Abkommen von Oslo über eine Zwei-Staaten-Lösung, weiter schwinden.
Auch Österreich muss nun entscheiden, wie ernst wir es mit unseren Worten meinen. Die Suspendierung des EU-Israel Assoziationsabkommens und von Förderprogrammen, sowie die Verhängung von Handelsbeschränkungen, sollte ernsthaft vorangetrieben werden. Wie 209 ehemalige EU Beamtinnen und Beamte in einem offenen Brief aufgezeigt haben, müssen konkrete Schritte, die bei bewaffneten Konflikten weltweit üblich sind, endlich umgesetzt werden. Allen voran ein umfassendes Waffenembargo und Sanktionen gegen jene, die Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen oder diese unterstützen.
Es ist höchste Zeit, dass sich auch Österreich auf die Seite der überwältigenden Mehrheit der Weltgemeinschaft stellt, um das unerträgliche Leiden in Gaza zu beenden und endlich eine Freilassung der verbliebenen Geiseln aus den Händen der Hamas zu bewirken.
Auf Worte müssen jetzt dringend Taten folgen.
1. René Amry, ehem. Botschafter im Libanon 2. Dorothea Auer, Botschafterin in Zypern und Libyen i.R. 3. Moritz Ehrmann, ehem. Leiter des Austrian Center for Peace Schlaining 4. Johannes Eigner, Botschafter in Serbien und Russland i.R. 5. Benita Ferrero-Waldner, EU Kommissarin für Außenbeziehungen und Außenministerin i.R. 6. Irene Giner-Reichl, Botschafterin in China und Brasilien i.R. 7. Barbara Grosse, Botschafterin in Libyen 8. Heidemaria Gürer, Botschafterin u.a. in Türkiye und den Niederlanden i.R. 9. Thomas Hajnoczi, Botschafter und Vertreter bei der UNO in Genf i.R. 10. Ulrike Hartmann, Botschafterin und Sonderbeauftragte für den Westbalkan 11. Valentin Inzko, Botschafter und Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina i.R. 12. Peter Jankowitsch, Außenminister und Botschafter u.a. bei der UNO in New York i.R. 13. Gerald Kriechbaum, Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten i.R. 14. Rudolf Lennkh, Botschafter u.a. in Mexiko und beim Europarat i.R. 15. Eva Nowotny, Botschafterin in den USA, Frankreich und Großbritannien i.R. 16. Thomas Nowotny, Generalkonsul in New York und Konsulent bei der OECD i.R. 17. Wolfgang Petritsch, Botschafter und Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina i.R. 18. Christian Prosl, Botschafter in den USA und in Deutschland i.R. 19. Susanne Schmid, Leiterin des Büros für Konsularbeglaubigungen 20. Hans-Dietmar Schweisgut, Botschafter in China, Japan und bei der EU i.R. 21. Christian Strohal, Botschafter u.a. bei der UNO in Genf und Leiter des OSZE-Menschenrechtsbüros i.R. 22. Robert Thum, Regierungsrat und Amtsdirektor i.R. 23. Roberto Thym, stv. Abteilungsleiter des Unternehmensservice 24. Wolfgang Waldner, Staatssekretär und Botschafter in den USA i.R. 25. Isabella Wlcek, Fachoberinspektorin i.R. 26. Marieke Zimburg, Botschafterin in Jordanien"
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