Die wichtigsten Fakten zur Schlacht um Aleppo

 
Wer kämpft in Syrien gegen wen - und welche Bedeutung hat die Schlacht um Aleppo für den Verlauf des Konflikts?

Was 2011 mit Demonstrationen gegen Präsidenten Bashar al-Assad begann, hat sich zum komplexen Bürgerkrieg ausgewachsen. Ein Ende ist noch immer nicht in Sicht. In Aleppo droht jetzt eine der größten humanitären Katastrophen dieses Konflikts. Wer dort jetzt genau gegen wen kämpft und wer die Rebellen sind, gegen die die Assad-Truppen vorgehen. Die wichtigsten Fakten zum Syrien-Krieg.

Wo wird derzeit gekämpft?

Nachdem Assads Truppen und ihre russischen Verbündeten im März bereits die Stadt Palmyra vom IS zurückeroberten, konzentrieren sie sich nun auf die Zwei-Millionen-Stadt Aleppo im Norden Syriens. Der Ostteil der Stadt ist nach wie vor in der Hand von verschiedenen Rebellen-Truppen. Schätzungen zufolge leben dort noch immer bis zu 275.000 Menschen, der englische Guardian berichtet von lediglich 40.000 Zivilisten. Wie viele Menschen genau in der belagerten Zone ausharren, ist schwer zu sagen. Klar ist jedoch: Die Versorgungslage ist extrem prekär. Über die sogenannte Castello Road konnten die Rebellen bis zuletzt Nachschub über die türkische Grenze nach Aleppo bringen. Seit Juli ist diese Verbindungslinie durch die syrische Armee aber gekappt. Ein Korridor, den die Rebellen unter Führung von Dschabhat Fatah al-Scham - der ehemaligen Nusra-Front - erkämpft hatten, konnte nicht gehalten werden.

Wer sind die Rebellen?

Die Milizen in Aleppo sind der Definition nach Rebellen, insofern sie gegen die offizielle Regierung kämpfen. Moderate Kräfte, wie der Begriff unter Umständen suggeriert, sind jedoch keine mehr darunter. Die wichtigste Gruppe ist nach wie vor der Nachfolger der islamistischen Al-Nusra-Front - die salafistische Dschabhat Fatah al-Sham sagte sich erst kürzlich von al-Quaida los.

Die Al-Nusra-Front kämpfte in der Vergangenheit nicht nur gegen Assad-Truppen, sondern auch gegen tatsächlich moderate Kräfte innerhalb der Opposition wie die Free Syrian Army und kurdische Gruppen. Unterstützung sollen sie dabei von der Türkei und Saudi Arabien und Katar bekommen, so der Vorwurf der kurdischen YPG.

Die Nusra-Front heute ist Teil der "Armee der Eroberer", einem heterogenen, aber überwiegend aus islamistischen Gruppen bestehenden Militärbündnis, das in Aleppo rund 10.000 Mann zusammengezogen haben soll. Unter den Kämpfern, die aus der Nachbarprovinz Idlib herangezogen wurden, sollen auch zahlreiche Uiguren aus der chinesischen Provinz Xinjiang sein. Auch die islamistische Miliz Ahrar al-Sham, die als eine der mächtigsten Rebellengruppen gilt, ist Teil des Bündnisses. Für den Nahost Experten Michale Lüders ist das auch einer der Gründe, weshalb von der Regierung bereitgestellten "humanitären Korridore" zuletzt kaum zur Flucht aus der umkämpften Stadt genutzt wurden: die Dschihadisten missbrauchen die Zivilisten als menschliche Schutzschilde und hätten darum kein Interesse daran, die Menschen hinauszulassen.

Und was ist mit dem "Islamischen Staat"?

Es ist kompliziert. Abu Bakr al-Baghdadi, Anführer des IS, erklärte die Nusra-Front im April 2013 zu einem Teil seiner Terrororganisation und gab die Vereinigung von Nusra-Front und IS unter dem neuen Namen Islamischer Staat im Irak und der Levante bekannt. Das gefiel dem Anführer der Nusra-Front, Abu Mohammed al-Jawlani, jedoch so gar nicht. Er brach mit al-Baghdadi, schwor aber al-Qaida-Anführer Aiman az-Zawahiri die Treue. Dieser rief die Gruppen schließlich zur Beilegung der Streitigkeiten auf und wies ihnen in einem Brief ihre jeweiligen Einflussgebiete - Nusra Syrien, IS Irak - zu, was al-Baghdadi jedoch ablehnte. Im August 2104 kam es sogar zu Gefechten zwischen den beiden Gruppen, bei denen der IS Gebiete an der türkischen Grenze erobern konnte. Ideologisch gibt es nach wie vor keine Unterschiede - beide Gruppen sind Derivate der al-Quaida. In der Praxis zeigt sich der IS jedoch deutlich brutaler. Bei der Nusra-Front gibt es keine medienwirksamen Auspeitschungen, Steinigungen und Enthauptungen. "Ungläubige" werden im Stillen beseitigt. Das brachte ihr auch eine größere Unterstützung in der syrischen Bevölkerung ein. Der IS hat in Syrien keine Verbündete mehr, in Aleppo soll er nicht vertreten sein.

Wer kämpft an der Seite von Assad?

Russland sorgt für Unterstützung aus der Luft. Am Boden hat Assad als Verstärkung der Regierungstruppen verschiedene sunnitische Milizen zusammengezogen. Rund 2.000 syrische, irakische und iranische Kämpfer sowie Kämpfer der libanesischen Hisbollah-Miliz sind in Aleppo in Stellung gegangen. Der wichtigste Verbündete Assads ist dabei nach wie vor der Iran - dazu weiter unten mehr.

Die Kriegsparteien im Überblick

Die wichtigsten Fakten zur Schlacht um Aleppo

Warum ist Aleppo so wichtig?

Aleppo ist nach Damaskus die zweitgrößte Stadt Syriens. Im Falle eines Sieges wären damit wieder beide Metropolen des Landes in Assads Hand - was ihm strategische Vorteile bei den Friedensverhandlungen in Genf bringen würde. Gegen eine derartige Machtverschiebung wäre der derzeitige Plan, eine Übergangsregierung gegen Bascher al-Assad mit der Beteiligung aller Oppositionsgruppen einzusetzen, kaum durchführbar. Zur Erklärung: Assad hatte sich im März bereit erklärt, Oppositionskräfte in eine neue Regierung unter seiner Führung einzubinden - was die US-Regierung jedoch strikt ablehnte. Ein Abdanken Assads ist für sie weiterhin nicht verhandelbar.

Ein weniger diplomatischer Grund betrifft die geografische Lage Aleppos. Die Stadt liegt an der wichtigen Nord-Süd-Verkehrsachse, die von der Grenze zur Türkei bis zur Grenze zu Jordanien verläuft. Wer die Stadt erobert, hat also auch die Kontrolle über die Grenzgebiete.

Wer steht hinter Assad?

Nach Russland, das dem Kriegsverlauf mit seinem Eingreifen auf Seiten Assads eine vielleicht entscheidende Wende gegeben hat, ist vor allem der Iran zum wichtigsten Bündnispartner des syrischen Machthabers zu zählen. Der ehemalige UN-Sondergesandte Lakhdar Brahimi bezeichnete den Iran 2015 als einflussreichsten Player in Syrien, weit wichtiger noch als Russland oder die USA. Staffan de Mistura, der aktuelle Sondergesandte für Syrien, wiederum schätzt, dass der Iran jährlich rund sechs Milliarden Dollar zur Unterstützung von Assad ausgibt. Andere Experten sprechen laut Spiegel Online gar von 15 bis 20 Milliarden Dollar, die Assad in Form von Krediten, Öllieferungen und Militärausrüstung zugute kommen. Dazu kommen eine unbestimmte Zahl iranischer Kämpfer.

Die beiden schiitischen Länder Iran und Syrien sind seit Langem strategisch miteinander verbunden. Schon 1978 knüpfte Syrien unter dem Vater von Baschar al-Assad, Hafis al-Assad, Verbindungen zu Revolutionsführer Ajatollah Komeini. Auch Russland und Syrien sind durch die Baath-Partei, deren Losung "Einheit - Freiheit - Sozialismus" nach ihrer Gründung Ende der 1950er-Jahre auch eine enge ideologische Bindung in die damalige UdSSR nahelegte, verbunden.

Wie geht es in Syrien weiter?

Auch wenn die strategische Bedeutung eines Sieges in Aleppo enorm ist, mit einem baldigen Ende der Kämpfe ist wohl auch nach der Schlacht um Aleppo nicht zu rechnen. Auf diplomatischer Ebene sind für Ende August erneut Friedensgespräche angesetzt, nachdem die Opposition diese im April ausgesetzt hatte. US-Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow haben angekündigt dann einen Kooperationsplan zu Syrien vorzulegen. Dabei solle es um eine engere militärische und geheimdienstliche Zusammenarbeit im Kampf gegen Terrormilizen gehen, sagte Kerry. Sein Kollege Lawrow betonte, für eine politische Lösung des Konflikts müssten die syrische Regierung und Opposition direkte Gespräche aufnehmen.

Wie kompliziert der Konflikt inzwischen ist zeigt auch, dass für die weitere Entwicklung in Syrien auch der US-Präsidentschaftswahlkampf eine Rolle spielt. Während Donald Trump eine zurückhaltende Linie in der Außenpolitik vertritt, hat Hillary Clinton im Falle eines Sieges bereits eine deutlich härtere Gangart angekündigt. So hat sich die Präsidentschaftskandidatin für eine Flugverbotszone in Syrien ausgesprochen. Eine Maßnahme, die Präsident Obama stets verweigerte.

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