Die NATO: Wer, was – und wie reagiert sie auf den Raketeneinschlag in Polen?

Die NATO: Wer, was – und wie reagiert sie auf den Raketeneinschlag in Polen?
Nach dem Raketeneinschlag in Polen ist das transatlantische Militärbündnis alarmiert. Wie geht es nun weiter? Ein Q&A.

Selbst wenn die Dienstagnachmittag in Polen eingeschlagenen Raketen keine russischen Geschosse gewesen sein sollten, ist die NATO alarmiert: Denn Polen ist ein NATO-Staat und als solcher muss das gesamte militärische Bündnis auf den Vorfall reagieren. Aber wie, das ist die entscheidende Frage, die eine große Gefahr einer gewaltigen Ausweitung des Krieges mit sich bringt.

Was ist die NATO und was will sie?

Die "North Atlantic Treaty Organization" (NATO) wurde 1949 auf Initiative der USA hin mit einem klaren Ziel gegründet: Die kommunistischen Staaten sollten davon abgehalten werden, gegen die westlichen Staaten Krieg zu führen. Nach dem Zerfall des Warschauer Paktes und der Sowjetunion 1991 änderten sich die Ziele der NATO. Hauptzweck ist nach wie vor die gemeinsame transatlantische Verteidigung. Mittlerweile gehören 30 Staaten dem Bündnis an, tonangebend bei allen wichtigen militärischen Entscheidungen sind die USA. Das Hauptquartier des Bündnisses befindet sich in Brüssel.

Was bedeutet der Artikel 5?

Das ist der so genannte Bündnisfall. Im NATO-Artikel 5 heißt es: Wenn ein Nato-Mitglied angegriffen wird, wird de facto die gesamte Nato angegriffen. Der NATO-Rat stellt dann den Bündnisfall fest. Geschehen ist das bisher erst einmal nach den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001.

 

Wird der Bündnisfall ausgerufen, müssen die NATO-Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen, "um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten." Ausdrücklich erwähnt wird dabei "einschließlich der Anwendung von Waffengewalt".

Die NATO beruft sich dabei auf das Recht auf Selbstverteidigung. Dieses ist wiederum in Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen festgeschrieben.

Die NATO & Österreich? 5 Fragen, 5 Antworten

Wie kann die NATO jetzt, nach dem Raketeneinschlag in Polen, reagieren?

Zunächst dürfte Artikel 4 des NATO-Vertrages aktiviert werden. Dieser sieht Beratungen der NATO-Partner vor, wenn nun, wie im Fall Polens, ein Staat die Unversehrtheit seines Territoriums, seine Sicherheit oder seine politische Unabhängigkeit bedroht sieht.

Wie ging die NATO bisher im russischen Krieg gegen die Ukraine vor?

Vom ersten Tag des Krieges an hat das Militärbündnis klar gemacht, dass es nicht direkt in den Krieg eingreifen wird. NATO-Soldaten werden nicht in die Ukraine geschickt – ansonsten stünde die NATO in direktem Krieg mit Russland. Ein verheerendes Szenario, das sowohl die US als auch Europa und Russland unbedingt vermeiden wollen. Doch die NATO-Staaten unterstützen die Ukraine mit umfangreichen Waffenlieferungen und essenzieller Aufklärung. Ohne diese Unterstützung könnte sich die Ukraine nicht verteidigen. Bei der ukrainischen Rückeroberung der südlichen Provinzhauptstadt Cherson haben westliche Waffen den entscheidenden Ausschlag gegeben.

Die NATO: Wer, was – und wie reagiert sie auf den Raketeneinschlag in Polen?

Der polnische Präsident Andrzej Duda am Mittwoch. Hinter ihm: die Flaggen Polens, der EU und der NATO.

Warum ist Österreich kein NATO-Mitglied?

Österreichs "immerwährende Neutralität" hat Verfassungsrang. Und als neutraler Staat darf Österreich sich nicht als Partei in einen Krieg einmischen, darf keine Waffen an einen kriegführenden Staat liefern und auch keinem Militärbündnis wie der NATO beitreten.

Aber Österreich beteiligt sich doch an NATO-Projekten?

Österreich hat, wie auch andere neutrale und bündnisfreie Staaten (Irland, Schweiz), seine Beziehungen zur NATO ausgebaut. So nimmt Österreich seit fast 30 Jahren an der Partnerschaft für den Frieden (PfP) und seit 1997 am Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat (EAPC) teil. Österreich beteiligt sich u.a. an verschiedenen Operationen mit einem Mandat des UN-Sicherheitsrates, die von der NATO geführt werden – wie etwa im Kosovo.

Was ist Russlands Problem mit der NATO?

Präsident Putin hat der NATO vorgeworfen, sich immer weiter Richtung Osten auszudehnen und dadurch die Sicherheit Russlands zu bedrohen. Sofort nach dem Ende der Sowjetunion sind die drei ex-sowjetischen Republiken Estland, Lettland und Litauen der NATO beigetreten. 1999 traten Polen, Tschechien und Ungarn der NATO bei, 2004 folgte die Slowakei. Danach folgten noch mehrere Runden der Osterweiterung – auf mittlerweile 30 NATO-Mitgliedsstaaten. Das bisher letzte aufgenommene Mitglied ist Nordmazedonien.

Schweden und Finnland wollen nun doch auch beitreten?

Nach dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat Schweden seine über 200 Jahre alte Neutralität und Finnland seine Bündnisfreiheit aufgegeben. Beide nordische Staaten haben im Frühling einen Beitrittsantrag gestellt, die NATO hat auch bereits ja gesagt. Doch noch fehlt die Unterschrift von zwei Staaten – Ungarns und der Türkei. Der größte Widerstand kommt dabei aus Ankara: Die Türkei verlangt vor allem von Schweden Zugeständnisse in Bezug auf Stockholms Kurden-Politik.

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