Die Krise hat die Griechen im Griff
Auf dem Likavitos-Hügel, dem höchsten Ort der Stadt, genießt eine Handvoll Touristen die Aussicht bei einem Gläschen Champagner. Statt ihnen müssten jede Menge Einheimische hier sein. Nicht bei Champagner im teuren Restaurant, klar, aber der Vorplatz der kleinen Kapelle am Likavitos scheint wie der ideale Ort für jeden Athener in Krisenzeiten wie diesen: Von hier oben sieht man die Akropolis, die Reste des Zeus-Tempels, das Panathinaiko-Stadion, in dem vor 120 Jahren die ersten Olympischen Spiele der Moderne ausgetragen wurden, kurz: Man kann sich hier an den Errungenschaften des alten und sehr alten Athens erfreuen – und gleichzeitig weit weg sein von den aktuellen Problemen der Stadt.
Obdachlose & Graffitis
Weit weg von den Graffitis, die das einzige sind, das das Stadtbild noch mehr prägt als die Obdachlosen.
Weit weg von den Schlangen in den Suppenküchen oder an den Arbeitsämtern, wo sich jene drängen, die ihren Job verloren haben – jeder vierte Grieche ist arbeitslos, 60 Prozent sind es bei den Unter-25-Jährigen.
Yiannis zählt zu dieser Altersgruppe, er ist, sagt er, der Einzige in seinem Freundeskreis, der Arbeit hat. Wie ein Profi bringt er in dem kleinen Souvlaki-Laden am Fuße des Likavitos ein Tablett nach dem anderen; die Einheimischen schwören auf die Spieße hier, für die Touristen ist Yiannis’ gutes Englisch ein Bonus. "Ich hasse den Job, ich will kein Kellner sein, aber ich habe keine Wahl", erzählt er am Ende seiner Zehn-Stunden-Schicht.
Statt im Schanigarten sollte er im Hörsaal sein – seine Eltern konnten sich das Studium nicht mehr leisten. "Mach’ dir nichts draus", sagt die Frau vom Nebentisch, und erzählt von ihrem Neffen, der gerade sein Ingenieursstudium abgeschlossen hat: "Job kriegt er jetzt trotzdem keinen – er hat nicht einmal eine Firma für ein Praktikum gefunden, die haben alle keine Aufträge."
Der Wirt setzt sich dazu, erzählt von einem befreundeten Tavernen-Besitzer: "Zu Beginn der Krise hat er angefangen, die Reste aus seinem Lokal zu verteilen. Heimlich, weil sich die Leute geschämt haben. Heute macht er das noch immer – aber schon lange nicht mehr heimlich."
Kleine Fortschritte
Regierungschef Samaras spricht auch gerne und viel davon, dass das Land aus der Krise irgendwann gestärkt hervorgehen werde, besser, moderner vor allem.
Im Athener Psiri-Viertel, das als hipper Stadtteil gilt, ist davon nichts zu sehen. Am späten Vormittag sitzen alte Männer vor einem Kaffeehaus, plaudern und spielen Backgammon. Ein Taxifahrer bleibt stehen, steigt aus, um sich einen Souvlaki-Snack zu kaufen. Sein Motor läuft, der Verkehr hinter ihm steht.
Wenig später kommt eine Frau mit einem Handwagen voll Blumen, hinter ihr ein Kollege mit Bauchladen. Sie verkauft Topfpflanzen an den Kaffeehaus-Besitzer, er gebrannte Mandeln an die Gäste. Ihre Runde endet auf dem Platz vor der Agora, dem antiken Stadtzentrum. Drinnen bevölkern Touristen den Ort, an dem einst Sokrates philosophierte; draußen sitzen Bettler, verkaufen Selbstgebasteltes und letzte Habseligkeiten für ein paar Euro. Man hat einen guten Blick hinauf auf den Likavitos.
2010 Im März wird über eine Staatspleite spekuliert. Die Euro-Länder sagen ein Hilfspaket zu, im Gespräch sind bis zu 30 Milliarden. Anfang Mai wird das erste Rettungspaket beschlossen – in der Höhe von 110 Milliarden Euro.
2011 Im Sommer beschließt das Parlament in Athen ein radikales Sparpaket. Im Oktober gibt es einen Schuldenschnitt von 50 Prozent – und ein neues Rettungsprogramm von 130 Milliarden Euro.
2012 Bei der Wahl verlieren die Unterstützer des Sparprogramms die Mehrheit. Die Bildung einer Regierung scheitert, die Neuwahl gewinnen die Konservativen. Ihre Regierung wird von Sozialisten und Demokratischen Linken unterstützt.
2014 Vor Jahresende endet das Hilfsprogramm, Griechenland will kein drittes Paket beanspruchen.
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