Die Aufgaben für Merkels Nachfolger
Sie waren mal nett, höflich und zwischendurch auch auf Angriff aus: Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn. Die drei von der CDU haben sich knapp zwei Wochen lang in einer Art Castingshow dem Volk präsentiert: Wer nun weiterkommt, den Parteivorsitz von Angela Merkel übernimmt, entscheiden heute 1001 Delegierte auf dem Parteitag in Hamburg.
Was sie bei ihrem Votum mitbedenken werden: Es geht nicht nur darum, wer die Partei künftig inhaltlich positioniert, es geht auch um Wahlen. Wer könnte Mehrheiten holen, wer ist breit genug, um Liberale wie Konservative hinter sich zu versammeln? Und wer hat das Zeug, die CDU vor dem Schrumpfen zu bewahren? Es geht also auch um die Kanzler/Kanzlerinnen-Frage.
Zwei Lager
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble offenbarte zuletzt, wen er favorisiert: Merz „wäre das Beste für das Land“, sagte er in der FAZ. Dementsprechend scharf reagierten manche Parteigenossen, wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Er kritisierte Schäubles Empfehlung und sprach sich selbst für Annegret Kramp-Karrenbauer aus. Andere, wie EU-Politiker Günther Oettinger, unterstützen Schäuble und machten ebenfalls Stimmung für den Polit-Rückkehrer. Egal, wer heute das Rennen macht, er oder sie hat eine erste große Aufgabe: Die Basis zu einen bzw. das Lager des jeweils anderen zu befrieden.
An dieser Stelle werden wir ab 11 Uhr live vom Parteitag im Hamburg tickern.
Kramp-Karrenbauer, früher saarländische Ministerpräsidentin und Noch-CDU-Generalsekretärin, wird den Spagat meistern müssen, den Wertkonservativen zu beweisen, warum sie anders ist als Merkel, ohne mit dieser zu brechen. Das versuchte sie zuletzt beim Asylthema, wo sie für Abschiebungen ins Bürgerkriegsgebiet Syrien plädierte oder sich gegen die doppelte Staatsbürgerschaft stellte, die Merkel eigentlich befürwortet.
Merz, Wirtschaftsanwalt und Polit-Wiedereinsteiger, sollte hingegen beweisen, dass er nicht nur die Rolle des Gegenspielers beherrscht, sondern auch vereinen kann. Und auch den sozialen Flügel der Partei, also sämtliche Anhänger von AKK und Merkel, auf seine Seite bringt. Das gilt auch für den dritten Kandidaten: Jens Spahn, dem aber nur wenig Chancen zugerechnet werden.
Wer kann mit Merkel?
Die nächste Bewährungsprobe wird die Zusammenarbeit mit Angela Merkel sein. Sie gibt nach 18 Jahren zwar den Vorsitz ab, aber nicht das Kanzleramt. Und so lange die Koalition nicht auseinanderfällt, wird sie weiter den Ton und Kurs angeben, wenn auch mehr im Hintergrund.
Einem potenziellen Parteivorsitzenden Merz wird dies einiges abringen. Zwar betonte er, dass die alte Geschichte vergessen sei – er also überwunden hat, dass sie einst Fraktionschefin wurde. Doch Freunde und Beobachter bleiben skeptisch ob der Harmonie. Die könnte inhaltlich weniger an außen- oder europapolitischen Positionen scheitern (beide sind Transatlantiker), sondern an innenpolitischen: Merz hat bei seinen Fans als „Anti-Merkel“ viele Sehnsüchte geweckt. Die vermisste Aufbruchstimmung könnte er mit seinem Redetalent kompensieren, er versprach mehr Kontroversen. Politische Partner oder Gegner dürfen sich auf einige Debatten freuen. Wie er den beklagten Verlust konservativer Werte so schnell korrigieren will, ist fraglich. Der Koalitionsvertrag wurde mit der SPD festgezurrt und bietet wenig Spielraum.
CDU-Parteitag: Wer folgt auf Merkel?
AKK hat es da einfacher, sich was rauszupicken. Sie hat das Papier mitverhandelt, steckt inhaltlich tiefer in der Materie. Seit Amtsantritt als Generalsekretärin arbeitet sie am neuen Parteiprogramm. Eine emotionale Wundertüte ist die 56-Jährige sicherlich nicht, was eine geräuschlosere Zusammenarbeit mit der Kanzlerin erahnen lässt. Die Partei würde so eher im ruhigen Fahrwasser bleiben. Interner Streit hat sich noch nie bezahlt gemacht. Das zeigte sich bereits im Juni, als CDU und CSU über die Flüchtlingspolitik zankten und die Unionsgemeinschaft sowie die Koalition auf der Kippe standen – die Umfragewerte rasselten nach unten.
Sollten die Ergebnisse bei den für die CDU wichtigen Landtagswahlen im Spätsommer bzw. Herbst 2019 in Sachsen, Brandenburg und Thüringen weiter nach unten rutschen, ist der Ärger vorprogrammiert – für Merz oder AKK.
Kommentare