Deutschland nimmt Kurs auf Lockdown bis 18. April
Angesichts des raschen Anstiegs der Corona-Fallzahlen in Deutschland zeichnet sich eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 18. April ab. Das geht aus einem Reuters vorliegenden Entwurf des Kanzleramts für die Bund-Länder-Runde am Montag hervor. In dem Papier wird gewarnt, dass die Zahl der Neuinfektionen ohne deutlich einschränkende Maßnahmen so schnell steigen werde, "dass bereits im April eine Überlastung des Gesundheitswesens wahrscheinlich ist".
Die Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Thüringen forderten, die Risiko-Einschätzung zum Ferienziel Mallorca zu korrigieren. Einer der Streitpunkte beim Gespräch von Kanzlerin Angela Merkel und den 16 Länderregierungschefs wird deshalb sein, ob zu Ostern trotz stark steigender Infektionszahlen "kontaktarmer Urlaub" im eigenen Bundesland möglich sein soll. Dies fordern die Küstenländer - Hamburg lehnt dies jedoch ab.
7.709 Neuinfektionen in Deutschland
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet am Montag 7.709 neue Positiv-Tests. Das sind 1.105 Fälle mehr als vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 107,3 von 103,9 am Vortag. Der Wert gibt an, wie viele Positiv-Tests je 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen gemeldet wurden. 50 weitere Menschen starben, die positiv getestet wurden. An Montagen sind die Zahlen wegen der geringeren Zahl an Tests am Wochenende und Meldeproblemen der Gesundheitsämter immer niedriger als an anderen Wochentagen. Am Sonntag war die Zahl der Corona-Intensivpatienten in den Krankenhäusern laut Divi-Register erstmals wieder über 3.000 gestiegen. Intensivmediziner warnen vor einer raschen Zunahme in den kommenden Wochen.
Strittige Maßnahmen
Vor allem das Thema Reisen, die Auflagen für Firmen zum Testen ihrer Mitarbeiter und die Art der "Notbremse" bei steigenden Inzidenzzahlen seien auch unter den 16 Ministerpräsidenten strittig, erfuhr Reuters am Montag aus Verhandlungskreisen. So schlägt das Kanzleramt in dem Entwurf vom Sonntagabend vor, dass die vereinbarte "Notbremse" bei einer Sieben-Tages-Inzidenz von mehr als 100 "konsequent umgesetzt werden soll". Dann soll es nicht nur keine weiteren Öffnungsschritte geben, sondern zusätzliche Maßnahmen, um die Zahl der Neuinfektionen wieder zu senken. So werden etwa Ausgangsbeschränkungen vorgeschlagen. Thüringens Ministerpräsiden Bodo Ramelow (Linke) verteidigte dies im Deutschlandfunk und verwies darauf, dass eine solche Regel für Landkreise mit besonders hohen Inzidenzen bereits gelte. Thüringen ist besonders hart betroffen.
Etliche Landkreise und Städte hatten sich aber in den vergangenen Tagen geweigert, Lockerungen zurückzunehmen. "Die Ministerpräsidenten stehen jetzt in der Verantwortung, einen weiteren Anstieg der Zahlen und damit der Kranken und Toten zu verhindern", forderte CDU/CSU-Bundestagsfraktionschef Ralph Brinkhaus.
Eine erneute Schließung von Schulen und Kindergärten ab der Anfang März vereinbarten "Notbremsen"-Schwelle von 100 fordert das Kanzleramt nicht automatisch. Sie sollen komplett erst ab einer Inzidenz von 200 wieder geschlossen werden. Dies liege auch daran, dass die für Bildungspolitik zuständigen Länder über Schulen selbst entscheiden wollen, hieß es aus Verhandlungskreisen.
Streitpunkt Urlaubsinsel Mallorca
Sowohl Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) als auch Ramelow kritisierten, dass die Bundesregierung die Einstufung der Urlaubsinsel Mallorca als Risikogebiet wegen der dort starken gesunkenen Inzidenz zurückgenommen hatte. Es sei kaum vermittelbar, dass Reisen nach Mallorca möglich sein sollten, Urlaub im eigenen Bundesland aber nicht, kritisierte Weil im ZDF. Die Küstenländer wollen deshalb, dass "kontaktarmer Urlaub" im eigenen Bundesland für Selbstversorger etwa über Ostern möglich werden soll. Man werde in der Bund-Länder-Runde besprechen müssen, ob die Entscheidung, Mallorca nicht mehr als Risikogebiet einzustufen, "in Stein gehauen" sei, sagte Weil zudem.
Die Mallorca-Flüge seien besonders bei Fluggesellschaften problematisch, die staatliche Hilfen in der Corona-Krise erhielten, kritisierte Ramelow. Das Kanzleramt will zudem, dass Bund und Länder weiter von "nicht zwingend notwendigen Reisen im Inland und auch ins Ausland" abraten - auch zu Ostern. Zudem wird eine Testpflicht für alle Reiserückkehrer aus dem Ausland vorgeschlagen, die auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) befürwortet.
Der Geschäftsführer von TUI Deutschland, Marek Andryszak, wies Befürchtungen wegen steigender Corona-Ansteckungen infolge von Mallorca-Flugreisen dagegen zurück. "Wir werden nicht müde klarzustellen, dass Reisende von Pauschalurlauben kein Risiko bei der Rückkehr nach Deutschland sind. Mehrere Studien haben gezeigt, dass sich die Gäste verantwortungsvoll im Urlaub verhalten und keine höheren Inzidenzen produzieren", sagte Andryszak der "Bild"-Zeitung.
Testung in Betrieben
Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten müssen auch klären, ob sie die Auflagen für Unternehmen zur Testung ihrer Mitarbeiter in Betrieben verschärfen. Anfang März hatte es nur den Appell dazu gegeben. Ramelow sagte nun, er wäre froh, "wenn die ganzen Unternehmen mitmachen". Im Papier des Kanzleramts werden die Firmen deutlicher als Anfang März ermahnt, selbst einen Beitrag zur Pandemie-Bekämpfung zu leisten. "Angesichts der steigenden Infektionszahlen ist eine zügige Umsetzung der Testangebote in allen Unternehmen in Deutschland notwendig. Die Tests sollen den Mitarbeitern mindestens einmal und bei entsprechender Verfügbarkeit zwei Mal pro Woche angeboten werden", heißt es in dem Entwurf. Anfang April solle eine Bilanz gezogen werden, wie die freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft umgesetzt wird.
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