Deutschland startet in die Zeitenwende – aber ohne das nötige Geld
Einen Kanzler und vier Minister in der Bundespressekonferenz, das hat es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Olaf Scholz sprach dementsprechend auch von einer „ungewöhnlichen und wichtigen“ Entscheidung, die ihn und seine Kollegen Annalena Baerbock (Äußeres), Christian Lindner (Finanzen), Boris Pistorius (Verteidigung) und Nancy Faeser (Inneres) dorthin geführt hat: Sie stellten stolz die Nationale Sicherheitsstrategie vor – die erste in der Geschichte der Republik.
Die Einigkeit, die sie demonstrierten, täuschte jedoch. Denn das 40-Seiten-Papier, das Scholz in die Kameras hielt, hätte schon im Februar präsentiert werden sollen. Angestoßen hatte Scholz die Debatte schließlich bei seiner „Zeitenwende“-Rede nach Kriegsbeginn, bei der er eine noch nie da gewesene Aufrüstung versprach.
Keine Revolutionen
Nur: Vor allem Scholz und Baerbock waren lange uneins, wie die Strategie aussehen soll – und wer im Fall des Falles das Sagen haben sollte. Das Endprodukt ist demnach auch kein revolutionäres Papier: Man klassifiziert Russland etwa „als die auf absehbare Zeit größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit im euroatlantischen Raum“, China wird als systemischer Rivale bezeichnet, von dem man sich wirtschaftlich stärker abkoppeln will. Einen Nationalen Sicherheitsrat – ein Gremium, das schon seit Jahren debattiert wird – wird es nicht geben, seine Einführung scheiterte an der Frage, ob Kanzler oder Außenministerin die Letztverantwortung darüber haben sollen. Und zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO – vor allem die USA verlangen ja schon lange ab, dass Berlin zwei Prozent des jährlichen BIP in Verteidigung investiert – verpflichtet man sich zwar, allerdings nur mit dem schwammigen Zusatz „im mehrjährigen Durchschnitt“.
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