Übrigens, Deutschland wählt...

Das deutscheste aller Feste, das Oktoberfest.
Stellen Sie sich vor, das wichtigste Land der EU wählt, und niemand bemerkt's.

"Langweilig war an diesem Wahlkampf nur das ständige Reden über dessen angebliche Langweiligkeit", kommentierte Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung den deutschen Wahlkampf. Eine gewagte These angesichts lediglich eines TV-Duells, das für österreichische Sehgewohnheiten dann auch noch geradezu obszön staatstragend von beiden Spitzenkandidaten absolviert wurde - und Interviews, die mit der ebenso obszön harmlosen Frage eingeleitet werden: "Was denken Sie über Menschen, Frau Bundeskanzlerin?" (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) Titel: "Wir brauchen Mut".

Eine gewagte These auch, weil über den Ausgang kaum ein Zweifel besteht: Vorne Angela Merkel, hinter ihr die Sintflut.

Immerhin: Dass die AfD damit vielleicht sogar auf den dritten Platz gespült werden könnte, sorgt laut Prantl für eine Dramaturgie, wie sie Deutschland bisher noch nicht kannte. Begrüßenswert finden das die wenigsten deutschen Kommentatoren, die ansonsten unisono einen denkbar themenarmen Wahlkampf monierten. "Langweilig", "Schlafwagen" und "Schönwetterphrasen" - während in Österreich interne Dokumente im Wochenrhythmus an die Öffentlichkeit gelangen, merkt man den Deutschen ihre liebe Mühe mit dem politisch allzu sauberen Wahlkampf an.


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Dabei fielen in den vergangenen Wochen durchaus einige deftige Sager. Hier, zur Auflockerung, eine Auswahl:

  • "Ich nenne das einen Anschlag auf die Demokratie." SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz wirft Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 25. Juni auf dem SPD-Parteitag vor, die Debatte über die Zukunft des Landes zu verweigern
  • "Wenn Sie was Ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs." CDU-Generalsekretär Peter Tauber löst 3. Juli auf Twitter einen Sturm der Empörung aus
  • "Deshalb werden wir uns trennen." SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel im "Stern" vom 2. August zu den Differenzen in der Koalition mit der Union
  • "Das sagt eine Deutschtürkin - ladet sie mal ins Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist, danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können." AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland am 26. August über die Staatsministerin für Integration, Aydan Özoguz (SPD)
  • "Man muss uns diese zwölf Jahre jetzt nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr. Und das sprechen wir auch aus."Gauland am 2. September über die Zeit des Nazi-Regimes von 1933 bis 1945
  • "Da ändert sich überhaupt nichts." Merkel schließt im TV-Duell am 3. September eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters aus.
  • "Hier sind alle roten Linien überschritten, und deshalb kann dieses Land nicht mehr Mitglied der EU werden." Schulz kündigt im TV-Duell am 3. September an, die Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der EU abbrechen zu wollen
  • "Mit der CDU scheint der Endpunkt der Entwicklung des Automobils die Sitzheizung zu sein." Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir beim Gillamoos-Volksfest am 4. September
  • "Ich stehe nicht zur Wahl, und da werden viele in diesem Land sagen: Gott sei Dank." Der ehemalige CSU-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg in einer ARD-Talkshow
  • "Ich habe jetzt wenigstens verstanden, wieso das in den Stadien Bandenwerbung heißt." Linken-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch am 5. September im Bundestag zu den Betrugsskandalen in der Wirtschaft
  • "Ich finde, wir haben gut auf Sie aufgepasst". Gabriel am 5. September im Bundestag zu Merkel über die Rolle der SPD in der Großen Koalition
  • "Für ein Jamaika-Bündnis fehlt mir inzwischen die Fantasie." FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner im "Focus" vom 8. September
  • "Für Jamaika fehlt mir die Fantasie." Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt im "Bonner Generalanzeiger" vom 9. September
  • "Ich strebe an Bundeskanzler zu werden. Und wenn Frau Merkel in mein Kabinett eintreten will, kann sie das gerne als Vizekanzlerin tun." Schulz am 11. September in Berlin
  • "Ich möchte sie nicht. Ich halte sie auch nicht für praktikabel. Garantiert." Merkel in der ARD-"Wahlarena" vom 11. September über das Streitthema Obergrenze für Flüchtlinge
  • "Wir wollen gewinnen." "Wir wollen 30 Prozent." SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am 13. September im ZDF-"Morgenmagazin"
  • "Igel, Elefanten und Feldhasen." Merkel auf einer Kinderpressekonferenz am 17. September auf die Frage nach ihrem Lieblingstier
  • "Wir haben 2018 eine Wahl in Bayern. Da kann sich eine CSU es nicht erlauben, ein Wahlversprechen nicht einzuhalten. Das wäre geradezu politischer Selbstmord." CSU-Chef Horst Seehofer bekräftigt im "Handelsblatt" vom 18. September sein Festhalten an einer Flüchtlingsobergrenze
  • "Aber selbstverständlich!" Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) am 19. September auf die Frage, ob ein Nichtwähler besser sei als ein AfD-Wähler.

Klingt doch gar nicht so langweilig. Zum Vergleich: Hier die besten Sager der Woche aus dem österreichischen Wahlkampf.

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