Mängelliste: Welche Baustellen auf Merkel jetzt warten
"Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben".
Mit diesem Wahlspruch zog Angela Merkel in die Wahl; und wer sich im Berliner Programm-Haus der CDU umsah, wo genau dieser Spruch in Charts, Statistiken und Vergleichen eindrucksvoll visualisiert wurde, hatte tatsächlich den Eindruck: Deutschland geht es gut – die Wirtschaftsdaten hervorragend, die Arbeitslosenzahl niedrig wie nie.
"Entwicklungsland"
Bewegt man sich aber ein bisschen aus der Hauptstadt raus, ist es damit schnell vorbei. Dann wird man mit der Liste an Mängeln konfrontiert, die die neue, alte Kanzlerin hinterlassen hat: Man reist von Empfangsloch zu Empfangsloch; und sucht man Breitbandinternet , sollte man besser die Nähe einer Großstadt suchen. In puncto Digitalisierung ist Deutschland nämlich ein Entwicklungsland: Im OECD-Vergleich zum Thema Glasfaser-Ausbau landet Europas mächtigste Handelsnation nur auf Platz 28 von 35 – für die Wirtschaft ein nicht zu unterschätzendes Problem.
Die Regierung hat das allerdings in den vergangenen vier Jahren breitflächig ignoriert. Der Breitband-Ausbau wurde der Telekom überlassen, ähnlich wie man sich kaum mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt beschäftigt hat. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim beziffert die Zahl der Arbeitsplätze, die durch Automatisierung wegfallen werden, mit fünf Millionen, das sind immerhin zwölf Prozent. In Kombination mit den Engpässen bei Facharbeitern, mit denen Deutschland sich jetzt schon herumplagt, wird es künftig vor allem für jene leichter, die hochqualifiziert sind – das wiederum erhöht aber die ohnehin große Einkommensungleichheit.
Preisbremse
Ein drittes unbearbeitetes Feld ist die Wohnproblematik: Die Regierung hat zwar in der letzten Legislaturperiode die Mietpreisbremse verabschiedet, doch die funktioniert so gut wie gar nicht. Das liegt daran, dass das Gesetz viele Ausnahmen hat und Spielräume zur Umgehung lässt – Mieter zahlen deshalb oft seit der Einführung nicht weniger, sondern mehr. In Großstädten wie München, Köln, Hamburg und Berlin ist das deshalb dramatisch, weil parallel dazu zu wenig gebaut wird; seit Einführung der Bremse sogar weniger als zuvor.
Zu wenig investiert wird auch in die Infrastruktur. Seit Jahren gibt Deutschland weniger Geld für Straßen, Brücken und öffentliche Einrichtungen aus als seine Nachbarländer, und der Wert geht sogar noch zurück: Waren es 1992 noch 0,73 Prozent der Wirtschaftsleistung, die der Staat in die Infrastruktur steckte, lag der Anteil im Jahr 2015 bei nur noch 0,41 Prozent. Jetzt, wo die Hälfte aller Schulen als sanierungsbedürftig gilt und man auf Autobahnen von Schlagloch zu Schlagloch, fährt, macht sich das bemerkbar: die Substanz, von der man lebt, bröckelt.
Im Wahlkampf haben sowohl CDU als auch SPD all diese Themen wenig angeschnitten, wirklich überzeugende Konzepte wurden nicht vorgelegt – und Altlasten wie die Tatsache, dass man Autobahnen aus Kostengründen privatisiert hat und jetzt auf den Forderungen der Betreiber sitzen bleibt, hat man gleich ganz ausgespart.
Die neue Koalition wird das bald nach der Wahl angehen müssen. Das Motto dafür gab Merkel jedenfalls schon mal selbst vor: "Wir wollen nicht im Technikmuseum enden mit Deutschland". Das wird viel Arbeit.
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