Erdoğans Spiel mit der Redefreiheit
Wo er sprechen will, ist nicht klar; man weiß nicht mal, ob es überhaupt schon ein Datum gibt. Nichtsdestotrotz wirbelt ein möglicher Auftritt Recep Tayyip Erdoğans in Deutschland bereits jetzt mehr Staub auf, als dem Kanzleramt lieb ist: Darf der türkische Staatschef hier seine mehr als umstrittene Verfassungsreform propagieren, wie sein Premier Binali Yildirim kürzlich bei seinem ebenso umstrittenen Deutschland-Auftritt ankündigte? Wo endet das Recht auf Redefreiheit – und warum greift Angela Merkel da nicht ein?
Berliner Eiertanz
Diese Fragen wurden dem Sprecher der deutschen Kanzlerin am Montag mehrfach gestellt. Allein, Antworten darauf gab es kaum: Die diplomatische Beziehung zwischen Berlin und Ankara ist mehr als fragil – nicht nur das Flüchtlingsabkommen, das Erdoğan stets als Druckmittel bei Merkel dient, sondern auch delikate Angelegenheiten wie die Verhaftung eines deutsch-türkischen Journalisten in Istanbul sorgen da für einen Eiertanz. Denis Yücel, der unter anderem für das deutsche Großformat Welt schreibt, war am vergangenen Dienstag festgenommen worden, er sitzt seither in Polizeigewahrsam.
Der Grund dafür ist nicht ganz klar: Vorgeworfen wird ihm unter anderem die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Terror-Propaganda; Yücel wurde aber auch im Zusammenhang mit Berichten über eine Hacker-Attacke auf das E-Mail-Konto des türkischen Energieministers gesucht. Wie genau die Faktenlage aussieht, weiß man darum auch in Berlin nicht so genau: Die Regierung habe keine Kenntnis davon, was Yücel vorgeworfen werde, hieß es am Montag; gefolgt vom Nachsatz: "Die Bundeskanzlerin und das gesamte Auswärtige Amt stehen hinter dem Bemühen, zu verhindern, dass Herr Yücel dauerhaft seine Freiheit verliert."
Meinungsfreiheit
Eine konkrete Forderung nach einer Freilassung des Journalisten – der nicht nur die deutsche, sondern auch die türkische Staatsbürgerschaft besitzt –, hörte man dabei nicht. Ebensowenig wie Merkels Sprecher in Aussicht stellte, dass man sich gegen den Auftritt Erdoğans stelle: "Die Bundesregierung steht zur Meinungs- und Versammlungsfreiheit in unserem Land", hieß es da.
Das mag ein mehr als subtiler Hinweis darauf sein, dass es um die Redefreiheit in der Türkei nicht gut bestellt ist; sicherlich ist es aber ein Ausdruck von Machtlosigkeit. Tritt Erdoğan, wie spekuliert wird, in Nordrhein-Westfalen auf – dort lebt der größte Teil jener 1,4 Millionen Menschen mit türkischem Pass, die für sein Referendum stimmen können –, so lässt sich dies nur schwer verhindern.
Juristische Hürden
Den Behörden sind die Hände gebunden, wenn die Veranstalter so geschickt vorgehen wie bei Yildirims Rede am Samstag, zu der 10.000 Menschen nach Oberhausen kamen: Sie war als private Veranstaltung in abgeschlossenen Räumen angemeldet, was ein Verbot verunmöglicht hat – juristisch ist eine Untersagung nur durchsetzbar, wenn eine Rede "im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen" stattfindet. Dies hat im Vorjahr ein Gericht entschieden, als Erdoğan per Live-Schaltung auf einer Demo in Köln sprechen wollte. Verbieten könnte einen Auftritt des türkischen Staatschefs nur die Bundesregierung, denn sie muss vorab zu allen Äußerungen ausländischer Politiker ihren Sanktus geben.
Genau das fordern die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen und die Linkspartei nun von Merkel. Ob sie diesen Wünschen nachkommt, ist jedoch mehr als fraglich. Am Montag hieß es nur, dass ja "kein konkreter Wunsch Erdoğans" zu sprechen bekannt sei – deshalb könne man zu einem Verbot auch nichts sagen.
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