Deutschland: 10.000 Erdogan-Fans und ein wahlwerbender Premier

Deutschland: 10.000 Erdogan-Fans und ein wahlwerbender Premier
Im nordrhein-westfälischen Oberhausen lud die türkische AKP am Samstag zu einer Wahlveranstaltung für das umstrittene Verfassungsreferendum am 15. April, das Erdogans Machtausbau besiegeln soll. Der Auftritt von Premierminister Yildirim sorgte schon im Vorfeld für Krach.

Es war nicht der erste Auftritt eines türkischen Politikers in Deutschland, der nicht mit der Bundesregierung akkordiert war. Aber Inhalt und Zeitpunkt waren heikler als je zuvor: Nicht nur, dass es ohnehin massive Kritik an dem geplanten Präsidialsystem gibt, das Erdoğan deutlich mehr Rechte zubilligt als bisher. Man fürchtet auch, dass sein Einfluss in Deutschland weiter wächst: Erst am Mittwoch gab es Razzien bei vier Imamen des halbstaatlichen türkischen Vereins DITIB - der KURIER berichtete.

Deutschland: 10.000 Erdogan-Fans und ein wahlwerbender Premier
A supporter of Turkish President Recep Tayyip Erdogan holds a flag before Turkish Prime Minister Binali Yildirim is expected to address a crowd of around 10,000 in Oberhausen, Germany, February 18, 2017, to promote Turkey's constitution referendum on April 16, 2017. REUTERS/Wolfgang Rattay
Grünen-Politiker Volker Beck, der die Sache - analog zumGrünen Sicherheitssprecher Peter Pilz in Österreich - ins Rollen brachte, forderte die deutschen Behörden sogar dazu auf, Premierminister Yildirim wegen des Spionageverdachts gegen Ditib-Imame zu befragen - und notfalls sogar festzusetzen, zitiertSpiegel Online am Samstag aus einem Schreiben Becks an die Staatsanwaltschaft Duisburg.

Bei Yildirims Aufrtritt in Oberhausen wurden am Samstag 10.000 Besucher erwartet. Der türkische Premierminister sollte für Recep Tayyip Erdoğans umstrittenes Verfassungsreferendum die Werbetrommel zu rühren. Die Veranstaltung in der König Pilsener Arena von Oberhausen stand unter dem Motto "Wer sein Land liebt, sagt Ja". Immerhin sind von den drei Millionen Türkischstämmigen im Land die Hälfte in der Türkei stimmberechtigt. Denn abstimmen dürfen bei dem Verfassungsreferendum in der Türkei am 15. April auch jene Menschen mit türkischem Pass, die im Ausland leben.

Spitzel-Affäre

Die AKP hatte nach den Razzien am Mittwoch gegen die "beispiellose Einschüchterungskampagne" in Deutschland gewettert; Worte, die man wohl auch am Samstag in Oberhausen hören wird. Gerade deshalb sieht die Opposition die Veranstaltung in Oberhausen auch so kritisch.

"Yildirims Werbefeldzug für eine Diktatur in der Türkei sollte unbedingt unterbunden werden", forderte Linken-Politikerin Sevim Dagdelen. Grünen-Chef Cem Özdemir, ebenso wie Dagdelen türkischstämmig, sprach von einem "Wahlkampf für einen Staat von Erdoğans Gnaden". FDP-Chef Lindner forderte gar ein Verbot der Veranstaltung.

Deutschland: 10.000 Erdogan-Fans und ein wahlwerbender Premier
Participants arrive at a meeting hold by the Turkish Prime Minister Binali Yildirim in Oberhausen, western Germany, on February 18, 2017. Turkish Prime Minister Binali Yildirim will speak to an expected crowd of some 10,000 people of Turkish origin to promote support for a referendum on April 16, 2017 that would expand President Recep Tayyip Erdogan's powers by creating an executive presidency. / AFP PHOTO / Sascha Schuermann

"Innenpolitische Auseinandersetzung sollen nicht nach Deutschland getragen werden"

Eine rechtliche Handhabe gegen den Auftritt gibt es allerdings nicht. Es handele sich um eine "nicht öffentliche, private Veranstaltung", betonte die Oberhausener Polizei. Es gebe "keinerlei Rechtsgrundlage, darauf Einfluss zu nehmen", erläuterte ein Sprecher.

Bei den deutschen Regierungsparteien gab man sich moderater – im Kanzleramt hieß es nur, man wolle nicht, "dass die innenpolitischen Auseinandersetzungen aus der Türkei nach Deutschland getragen werden." So viel Zurückhaltung kommt nicht von ungefähr, schließlich ist auch Kanzlerin Merkels Umgang mit Erdoğan seit dem Flüchtlingsabkommen von besonderer Vorsicht geprägt.

Merkel setzte sich für festgenommenen Journalisten ein

Noch am Samstagvormittag hatte sie Yildirim hatte am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz getroffen und laut Regierungssprecher Steffen Seiber die Gelegenheit genutzt, mit Yildirim auch über den Fall des am Freitag inhaftierten Journalisten aus Deutschland, Deniz Yücel, zu besprechen. "Die Bundeskanzlerin drückte die Erwartung der Bundesregierung aus, dass Deniz Yücel eine faire und rechtsstaatliche Behandlung erfährt", sagte Seibert.

Die Rede Yildirims wurde von mehreren Gegendemonstrationen begleitet. Die Proteste gegen den Auftritt verliefen nach Angaben der Polizei in Oberhausen zunächst friedlich. An einem Demonstrationszug zum Veranstaltungsort beteiligten sich demnach rund 750 Menschen. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz.

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