Deutsch-Türken: Doppelter Pass, doppelte Probleme?

Pro-Erdogan-Demonstration in Köln nach dem Putschversuch
Der Fall Yücel offenbart die negativen Seiten des Doppelpasses. Nun wird die Abschaffung gefordert – ein Druckmittel für Angela Merkel.

"Ärgerlich" sei das alles, sagt Martin Schäfer. Der Sprecher des deutschen Außenamts ist sonst höchst zurückhaltend in seiner Wortwahl, der Fall Deniz Yücel scheint ihm aber zuzusetzen: Zwei Wochen ist es her, dass der deutsch-türkische Journalist inhaftiert wurde – direkten Kontakt zu ihm hatte von deutscher Seite bisher jedoch niemand, sagte Schäfer am Montag. Der Grund dafür ist rechtlich einwandfrei: Yücel ist Besitzer eines Doppelpasses – in der Türkei wird er deshalb als Türke gesehen, ein Recht auf konsularische Betreuung durch Deutschland wird ihm nicht zugestanden.

Yücels Dilemma steht symbolhaft für eine Debatte, die Deutschland seit Jahren beschäftigt. Soll man den vielen, vornehmlich türkischen Gastarbeitern und ihre Kindern das Recht auf zwei Nationalitäten zugestehen? 2002 beantwortete Rot-Grün das mit einem "Ja, vielleicht" und führte den eingeschränkten Doppelpass ein – im Alter von 23 Jahren musste man sich für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Die Große Koalition unter Angela Merkel schaffte 2015 auch die Optionspflicht ab; ein Zugeständnis an alle Wähler mit Migrationshintergrund.

Loyalitäts-Konflikt

Da aber nun auch der türkische Präsident um diese Wählergruppe buhlt, flammt die Debatte um den Doppelpass wieder auf: CDU-Außenpolitiker Röttgen und CSU-Generalsekretär Scheuer forderten nach dem Nazi-Sager Erdoğans lautstark, die Optionspflicht wieder einzuführen. Ihr Argument: Die doppelte Staatsbürgerschaft würde nicht nur zu einer "gespaltenen Loyalität" führen, ohne sie wären Auftritte Erdoğans und seiner Adepten ja gar nicht nötig. Von den gut drei Millionen Türkischstämmigen sind schließlich 1,4 Millionen auch in der Türkei wahlberechtigt.

Freilich, die Diskussion ist vorläufig nur akademisch – aber sie ist ein deutliches Signal nach Ankara: Angela Merkel fehlt bisher in der gesamten Eskalationskette mit der Türkei ein Druckmittel – Einreiseverbote wie in den Niederlanden will man tunlichst vermeiden, um die Stimmung in Deutschland nicht noch mehr anzuheizen; Wirtschaftssanktionen, wie Teile der SPD sie fordern, will man angesichts der hohen Exportrate Deutschlands in die Türkei ebenso umgehen. Die Doppelpass-Besitzer dazu zu zwingen, sich für eine Staatsbürgerschaft zu entscheiden, ist demnach eine leise Botschaft an Erdoğan – denn sie haben in den vergangenen Wahlen deutlich öfter für seine AKP gestimmt als ihre Landsleute in der Türkei.

"Völlig inakzeptabel"

Merkel selbst hat das Thema bisher vermieden, war sie doch stets eine Verfechterin des Doppelpasses. Das könnte sich ändern, behält Ankara den Ton bei: Den Nazi-Vergleich, den Erdoğan nun auch in Richtung der niederländischen Regierung vom Stapel gelassen hatte, nannte Merkel nun "völlig inakzeptabel" – sie sicherte den Niederlanden ihre volle "Unterstützung und Solidarität" zu.

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