Deutschland als Geldwäsche-Zentrum

Deutschland als Geldwäsche-Zentrum
Italiens Mafia-Starautor Roberto Saviano glaubt, dass Deutschland von Mafias aus der ganzen Welt zur Geldwäsche genutzt wird.

Dass es sich um keinen gewöhnlichen Abendtermin in der Berliner Akademie der Künste handelte, suggerierten schon die Taschenkontrollen am Eingang, die diskreten Wächter in den Kulissen, der um fast eine halbe Stunde verspätete Beginn und die spezielle Begrüßung des Polizeipräsidenten durch den Akademiepräsidenten: Roberto Saviano war angekündigt, der Autor des Erfolgswerks über die Mafia, "Gomorrha". Er stellte am Donnerstag sein neues Buch "Der Kampf geht weiter. Widerstand gegen Mafia und Korruption" vor.

 Unter den paar hundert Zuhörern schien die italienische Gemeinde in der deutschen Hauptstadt fast größer als die Zahl der interessierten Berliner. Italiens Botschafter Michele Valensise sprach eingangs von der Mafia als "Kriminalität, die wie eine schleichende Krankheit in die Gesellschaft" vordringe und sich sehr gut der Globalisierung anpassen könne. In den letzten Monaten sei aber eine Veränderung zum Besseren in seinem Land zu bemerken, fügte er hinzu.

Saviano bezeichnete seine Heimat hingegen als ein seit langem unglückliches Land. Deutschland sei aber ein wichtiger Markt für den illegalen Waffenhandel. Die Macht der organisierten Gewalt sei dort erst mit den Attentaten vom 15.8.2007 in Duisburg deutlich geworden. "In Deutschland werden Milliarden und Milliarden an Euro gewaschen", sagte Saviano, "nicht nur von der italienischen Mafia, sondern auch von der russischen, bulgarischen und nigerianischen."

Es sei unglaublich, dass das deutsche Volk nicht bei seinen Politikern nachfrage. Zudem gebe es kein Geldwäschegesetz und keine eigene Oberstaatsanwaltschaft gegen die Mafia in Deutschland. "Das illegale Geld, das hier in Strömen fließt, ist eine große Gefahr für die Demokratie in Europa und Deutschland", warnte der Autor.

Drogen-Machtkampf

Je internationaler Saviano den Einfluss der Mafia zeichnete, umso unglaublicher mag es manchem Zuhörer erschienen sein. So erzählte er, dass alle Mafia-Kartelle hohe Investitionen in Griechenland getätigt hätten: "Meiner Meinung nach ist das auch ein Grund für die Wirtschaftskrise", weil dies die ansässige Wirtschaft außer Gefecht gesetzt habe, meinte Saviano. Und: "Es ist abwegig, die Taliban religiöse Kämpfer zu nennen. Nein, sie sind Drogenhändler. Und das Geld kommt von hier." Der Krieg in Jugoslawien sei ein Krieg zwischen Mafias gewesen.

Und was geschieht, wenn China den Drogen-Kartellen beitritt? "Die Mafias sagen, wer Koks in China kontrolliert, kontrolliert die Welt", so der italienische Autor. Kokain komme aus Südamerika über Afrika, wo es bereits "white oil" genannt werde, nach Europa. Kokain habe Zentralafrika Frieden gebracht, weil es zu einer Art Rohstoff geworden sei, so Saviano.

Sein eigenes Leben bezeichnete er als "beschwerlich im Augenblick": Alles müsse er drei Tage im Voraus ankündigen, ständig sei er von fünf bis sieben Carabinieri umgeben. Allerdings sei Italien nach Kolumbien weltweit das Land mit der höchsten Dichte an Personenschutz. Dennoch erlebe er zwar Zeiten großer Mutlosigkeit, aber nicht Angst. Das Licht der Öffentlichkeit schütze ihn, so Saviano. "Meine größte Angst ist, weiter so zu leben wie jetzt." Nicht ihn fürchte die Mafia, sondern die Aufmerksamkeit, die sich auf sie richte, das Wissen um ihre Mechanismen.

 Der Regierung Monti konzedierte Saviano einen Neuanfang im Kampf gegen die Mafia. "Wichtig ist es, die Finanzmittel zu entziehen", riet Saviano. Europas Kleinststaaten seien Drehscheiben der Geldwäscherei, die Schweiz nannte er "unglaublich verantwortlich". Der Mangel an Rückverfolgbarkeit von Geldern sei "ein sehr großes Problem". Europa, insbesondere Deutschland, antworte auf die Krise, indem nicht mehr gefragt werde, woher das Geld komme, so der Erfolgsautor. Verdächtiges Kapital müsse aber, so wie es US-Präsident Barack Obama durchgesetzt habe, gesperrt werden. "Das größte Geschenk, das man Kriminellen machen kann, sind Offshorekonten", sagte Saviano. "Es ist wichtig zu wissen, dass die Zeit drängt."

Wenn er in die Schulen gehe, versuche er nicht zu moralisieren, sondern den Kindern vom Recht auf Glück zu erzählen, sagte Saviano. Als Mafioso diene man sich langsam hoch, ein Mord bringe etwa 2.500 Euro, ein Zonenchef verdiene bis zu 80.000 Euro im Monat. "Doch die echten Bosse sind Männer, die Jahrzehnte nur in Kellern leben. Weshalb ich sie die letzten Calvinisten des Abendlandes nenne."

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