Affäre Edathy: CSU will SPD-Buße

Sebastian Edathy
Der Fall Edathy zwingt die Parteien zu neuer, mühsamer Vertrauensbildung um Optimistin Merkel.

Auch nach einer Woche wird die Affäre um den der Kinderporno-Nutzung verdächtigen Ex-SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy täglich unübersichtlicher. Sie stört das Klima der Koalition so, dass die Parteichefs von CDU, CSU und SPD Dienstagabend ein Sechs-Augen-Gespräch im Kanzleramt brauchten, der ersten Krisenrunde seit dem Regierungsstart Ende 2013.

Vor allem die CSU ist wütend über den Abgang ihres Agrar- und zuvor Innenministers Hans-Peter Friedrich am Freitag. Er und die CSU fühlen sich bestraft für seine frühen Warnung an SPD-Chef Sigmar Gabriel vor einem Regierungsamt für den SPD-Jungstar Edathy. Es sei seine Pflicht gewesen, berief sich Friedrich auf den Amtseid, "Schaden vom Volk abzuwenden". Seit Montag prüft die Berliner Staatsanwaltschaft den Anfangsverdacht gegen ihn wegen Bruch des Amtsgeheimnisses.

Parteitaktik

Dass Friedrichs größter SPD-Gegner, Fraktionschef Thomas Oppermann, kurz nach Gabriels Information vom Chef des Bundeskriminalamts Jörg Ziercke eine Bestätigung des Kinderporno-Verdachts verlangte, sieht die CSU als Gesetzes- und Vertrauensbruch: Gabriel und Oppermann hätten Friedrichs vertrauliche Vorwarnung nur ins Spiel gebracht, um von der Peinlichkeit Edathy für sie abzulenken.

Weil Oppermann auch noch juristisch relevante Aussagen nach Widerspruch Zierckes und Friedrichs korrigieren musste, drängt die CSU bisher auf Oppermanns Rücktritt. Den schließt Gabriel aber aus: Die SPD habe sich nichts vorzuwerfen, was zu einer Warnung Edathys hätten führen können, so sehr sie Friedrichs Rücktritt bedauere. Dem widersprach der Chef des Kriminalbeamten-Bundes: Er hält Oppermann strafbare "Anstiftung zum Geheimnisverrat" vor.

Edathy selbst ist weiter abgetaucht, bestreitet aber alle strafrechtlichen Vorwürfe aus der Ferne. Sein Rechtsanwalt kritisiert die Staatsanwälte schwer.

Justizminister Heiko Maas (SPD) will die Strafen für Kinderporno-Nutzung verschärfen. Merkel war vor dem Gipfel "optimistisch": Sie habe "volles Vertrauen" in Gabriel und die Arbeitsfähigkeit der Koalition. In der ist die SPD nun geschwächt, wenngleich offen ist, wie. Bisher hatten Gabriel und die SPD-Minister die Dynamik im Kabinett klar dominiert.

Lehrer waren ebenso Kunden wie Geistliche, Pfadfinderführer oder Polizisten. Männer aus 50 Ländern konsumierten Fotos und Videos von einem internationalen Kinderpornoring mit Sitz in Kanada. 386 Kinder wurden als Opfer ausgeforscht. Im Rahmen der Operation "Spade" wurde der Ring gesprengt. Die Spuren führten im vergangenen Herbst offenbar nicht nur zu einem SPD-Abgeordneten, sondern auch nach Österreich: Gegen 63 Österreicher wurde Anzeige erstattet.

Ermittler wurden bei Hausdurchsuchungen im ganzen Land fündig. In ihr Visier gerieten Konsumenten im Alter zwischen 22 und 67 Jahren – Akademiker, Arbeiter, Arbeitslose.

Die Verfahren sind teils noch im Laufen – eine Übersicht, wie viele Österreicher allenfalls schon verurteilt sind, gibt es nicht. Beschuldigte gab es in jedem Bundesland. 24 davon in Wien, 13 in OÖ. Je sechs in NÖ und Tirol, jeweils vier in Salzburg und Kärnten und je zwei im Burgenland, in Vorarlberg und der Steiermark.

Bei den konsumierten Bildern und Videos dürfte es sich nicht "nur" um nackt herumhüpfende und spielende Kinder, sondern auch um eindeutiges Material handeln. Wobei: Die Beurteilung, wo harmlose Spielerei aufhört und Pornografie anfängt, ist fließend und hängt vom Richter ab. Reine Nacktfotos von Minderjährigen ohne geschlechtliche Handlungen und entsprechende Aufnahmen der Intimregion fallen grundsätzlich nicht darunter.

Kommentare