AfD: Die große Angst vor den Schamlosen

Das freundliche Gesicht einer unfreundlichen Partei: Frauke Petry
Die AfD liefert Eklat um Eklat – und ihre Popularität steigt. Die Altparteien agieren daneben hilflos.

Frauke Petry sagt ungern "ich", sie sagt lieber "wir". Meist lächelt sie dabei.

Sie lächelt auch immer, wenn sie angegriffen wird, wenn ihr in Talkshows Hetze und Demagogie vorgeworfen werden. Die 40-jährige Dresdnerin, die seit einem halben Jahr Chefin der Alternative für Deutschland ist, weiß in solchen Momenten um das "Wir", das sie in ihrem Rücken hat: zwölf Prozent der Deutschen, die sie und ihre Partei wählen würden.

Seit sie im Frühsommer Parteigründer Bernd Lucke vom Thron der AfD gestoßen hat, herrscht ein anderer Ton in der Partei. Die eurokritische Professorenpartei, die nach der Griechenland-Krise in die Bedeutungslosigkeit abdriftete, wandelte sich durch die Flüchtlingskrise zu einer nationalkonservative Bewegung – etwas, wovor man sich in Deutschland stets fürchtete: Mit der AfD hat das Land erstmals eine ernst zu nehmende Partei rechts der CDU.

Bewusste Eskalation

Die AfD agiert mittlerweile auch ganz im Stil jener Rechtspopulisten, die den Volksparteien in anderen europäischen Ländern schon lange das Leben schwer machen. Man setzt auf bewusste Eskalation, in Sprache und Methodik. Petry, eine Doktorin der Chemie, die erst seit 2013 politisch aktiv ist, agiert dabei mit gebotener Schamlosigkeit: Um Flüchtlinge am Grenzübertritt zu hindern, müsse die Polizei "notfalls von der Schusswaffe Gebrauch machen", sagte sie kürzlich in einem Interview; ihre Stellvertreterin Beatrix von Storch, eine Anwältin mit höchst rechtskonservativer Gesinnung, setzte nach, dass dies auch bei Kindern überlegenswert sei (mehr dazu hier).

Das sind Aussagen, die eher an die Wut-Rhetorik von Pegida erinnern als an gesittete Bundestags-Debatten. Das ist auch ihr Sinn und Zweck: 80 Prozent der hauptsächlich ostdeutschen "Spaziergänger" wählen auch die AfD; die Partei setzt ihrerseits alles daran, sich so wenig wie möglich von der islamkritischen Bewegung abzusetzen. Björn Höcke, der als Rechtsaußen der Partei gilt, organisiert in Erfurt wöchentlich Aufmärsche im Stil der selbst ernannten Patrioten – und auch im selben Ton. "Wir werden von Idioten regiert", schrie der 35-jährige Lehrer kürzlich vom Podium; er forderte, Angela Merkel müsse mit Zwangsjacke aus dem Kanzleramt abgeführt werden.

Wegen solcher und ähnlicher Aussagen – Höcke schwadronierte auch schon vom "lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstypus" unter Flüchtlingen – will das Land Hessen ihm nun ein Unterrichtsverbot erteilen. Ohnehin reagiert der politische Betrieb Deutschlands auf die Eskalationsrhetorik mit Abwehr: SPD und Gründe weigerten sich noch bis vor Kurzem, sich bei den Elefantenrunden zu den bevorstehenden Landtagswahlen mit der AfD an einen Tisch zu setzen; die CDU boykottierte die Diskussion deshalb, weil sie das Verhalten der linken Kollegen für nicht nachvollziehbar hielt.

Anleihen bei der FPÖ

Die Ohnmacht, mit der der politische Betrieb auf den Aufstieg der AfD reagiert, ist für die Partei selbst ein kleines Geschenk. Zwar haben die meisten Politiker ihre Absage mittlerweile wieder zurückgenommen, die "Alternative" sieht sich selbst jedoch als Opfer der etablierten Parteienherrschaft – ein Spiel das auch die FPÖ unter Jörg Haider in Österreich zelebriert hat. Kaum eine Talkshow kommt derzeit ohne Beteiligung eines AfD-Politikers aus – und dennoch beklagt die Partei, sie werde von den Medien boykottiert. "Die AfD klaut bei Haider und der FPÖ", sagt der Politikwissenschaftler Florian Hartleb gegenüber n-tv.

Der große Unterschied zwischen der AfD und den Rechtspopulisten Europas ist ihre Führungsspitze – die ist, im Unterschied zur potenziellen Wählerschaft, primär weiblich. Ähnlichkeiten finden sich nur zu Marine le Pen, der Parteichefin des französischen Front National, die mit Petry einiges gemein hat – beide sind modern und wertkonservativ zugleich.

Petry selbst sieht das allerdings nicht so. Auf die Frage, wie viel sie mit dem FN verbinde, bemühte sie sich um eine Abgrenzung – nach rechts: "Das ist eine Partei, die sich im sozialistischen, linken Bereich aufhält", meinte sie. Ihr berühmtes Lächeln setzte sie dabei nicht auf.

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