Der verpatzte Auftritt des französischen Präsidenten

Emmanuel Macron
Macrons Reaktion auf die Gelbwesten. Das Geheimnis um seine Mega-Ansagen wurde vorzeitig gelüftet.

Die Maßnahmen des Präsidenten, um die „Gelbwesten“ zu besiegen, wurden zu früh bekannt.

Die Kreise um Emmanuel Macron, die teilweise noch immer nicht verstanden haben, wie etliche Franzosen ticken, werfen gerne mit Worten um sich, die aus dem amerikanischen Military- und Management-Kauderwelsch stammen. Dazu gehört der Begriff des „Blast-Effekts“.

Gemeint ist eine Explosion, deren Druckwelle alles hinwegfegt. So einen „Blast-Effekt“ hatten Berater des Präsidenten für Montag-Abend prophezeit. Da wollte der Staatschef in einer zwanzigminütigen TV-Rede ein Maßnahmen-Paket ankündigen, um die lästigen „Gelbwesten“ endgültig vom Tapet zu fegen.

Aber für den „Blast“ sorgte dann der Brand von Notre-Dame, und Macron hatte ein Einsehen, dass zwei „Blasts“ an einem Abend zu viel wären. Deshalb ergriff er am Dienstag im TV nur kurz das Wort. Dabei stellte er den Wiederaufbau von Notre-Dame innerhalb von fünf Jahren in Aussicht, und hielt in verschlüsselter Form den „Gelbwesten“ eine Standpauke. Alles nach dem Motto: die Nation müsse „wieder zusammenfinden“, jeder habe seine Aufgabe zu erfüllen, da wo er sich gerade befinde, ob „reich oder weniger reich“.

Geheimhaltungsgebote

Macrons große Ansprache soll erst nächste Woche ausgestrahlt werden. Sie wurde aber im Voraus aufgenommen, wobei Kernaussagen, trotz strengster Geheimhaltungsgebote, an die Öffentlichkeit gelangten.

Im Einzelnen will Macron die Einkommenssteuer für niedrigere Erwerbsschichten senken und die Rentenerhöhungen wieder der Inflation anpassen, wie das unter seinen Vorgängern üblich war.

Sogar die Wiedereinführung der Vermögenssteuer ist nicht mehr tabu.

Die Vermögenssteuer, die ursprünglich ab einem Besitz von 1,3 Millionen Euro anfiel, ließ Macron zu Amtsbeginn abschaffen. Jetzt gilt nur mehr eine Steuer auf Immobilienbesitz.

Auch soll keine Schule und kein Spital mehr weggespart werden. Im Gegenzug will Macron eine Erhöhung der Arbeitszeit zur Diskussion stellen. Für Unterhaltszahlungen an geschiedene Alleinerzieherinnen soll der Staat einspringen, wenn Ex-Gatten säumig sind.

Die symbolträchtigste Maßnahme ist die Abschaffung der ENA („Ecole nationale d’administration“).

Diese post-universitäre Kaderschmiede für angehende Spitzenbeamte hat sich zwar zuletzt gegenüber sozial benachteiligten Milieus geöffnet, sie gilt aber vielen Franzosen weiterhin als Inbegriff der angeblichen Vorherrschaft einer selbstherrlichen und abgehobenen Technokraten-Kaste.

DANNY LEDER, PARIS

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