Amoklauf in USA: Der stille Computerfreak, der übers Töten rappte

Amoklauf in USA: Der stille Computerfreak, der übers Töten rappte
Der 22-Jähriger Attentäter war stiller Außenseiter, der sich als Hip Hopper in Sozialen Medien versuchte - für Experten Teil des rechten Terrors.

Kampfausrüstung, vom Helm bis zu den Springerstiefeln, in der Hand ein Sturmgewehr, vor ihm eine kniende Figur, die um Gnade bettelt: Wer Charakter und Gedanken des mutmaßlichen Attentäters von Montag zu ergründen versuchte, musste sich in die entlegeneren Regionen des Internet begeben, dort hatte der 22-jährige Robert Crimo seine Spuren hinterlassen.

Amoklauf in USA: Der stille Computerfreak, der übers Töten rappte

Der Attentäter Robert Crimo 

Als „Awake the Rapper“ präsentierte er dort seine Musik samt Videos. In denen ließ sich der kleine, schmächtige Sohn italienischer Einwanderer lieber von virtuellen Gestalten vertreten. Die durften in den Videos ihrer Schießleidenschaft freien Lauf lassen, während er dazu rappte : „Alles musste zu diesem Punkt führen. Niemand kann mich stoppen, nicht einmal ich selbst.“ Der Punkt war an diesem Montag: Robert Crimo eröffnete das Feuer auf die Parade zum 4. Juli im Chicagoer Vorort Highland Park: Sechs Menschen starben, Dutzende wurden verletzt.

Amoklauf in USA: Der stille Computerfreak, der übers Töten rappte

Ein stiller unauffälliger Jugendlicher sei er , erzählt ein Verwandter einem lokalen TV-Sender: „Der sagt nicht, was er denkt. Sitzt nur vor dem Computer.“ Die Brücke zwischen einsamen Stunden vor dem Computer, seltsamen Hip-Hop-Kompositionen und dem wahllosen Töten von Zivilisten zu schlagen, das fällt den Ermittlern der Polizei vorerst schwer.

Kein politisches Motiv

„Er sei wohl tief in diese Kultur in den Randzonen des Internet eingetaucht“, analysiert Emerson Brooking, Experte für digitale Medien beim US-Thinktank-Think-Tank Atlantic Council für die Tageszeitung Washington Post: „Nichts von dem, das bisher über ihn bekannt ist, deutet auf ein klares politisches, oder ideologisches Motiv hin.“ Auch Freunde des Attentäters, erinnern sich daran, dass Crimo mit Politik nichts anfangen konnte. Sein Besuch bei einem Auftritt von Donald Trump, der ebenfalls im Internet aufgetaucht ist, gilt für die Ermittler daher eher als Einzelereignis ohne große Bedeutung.

Rassistische Motive

Viele Attentäter der letzten Zeit hatten klar rassistische, oder rechtsradikale Motive für ihre Verbrechen. So etwa jener 18-Jährige, der in Buffalo im März zehn Afroamerikaner erschoss. Er hatte vor seiner Tat Bekenntnisse im Internet veröffentlicht, in denen er seine verworrene rechtsradikale Ideologie deutlich machte.

Tätergruppen

Trotzdem zählen Experten auch Attentäter wie Crimo zum rechtsextremen Terrorismus. Drei Hauptgruppen werden unterschieden. „Weiße Rassisten“, also jene Menschen, die an die Überlegenheit der weißen Rasse glauben, überzeugt sind, dass deren Führungsrolle akut bedroht ist und daher mit der Waffe in der Hand verteidigt werden muss. Kernelement ihrer Ideologie ist der „große Ersatz“, also der Austausch der weißen Bevölkerung durch Einwanderer aus anderen Kulturen. Sie operieren meistens alleine.

Sexuell enthaltsam

Die zweite Gruppe sind „regierungsfeindliche Extremisten“, also jene meist zumindest lose organisierten Gruppen, die überzeugt sind, dass die US-Regierung zu ihrem Feind geworden ist und daher mit Gewalt bekämpft werden muss. Viele der Kapitol-Stürmer vom 6. Jänner 2020 gehörten dazu.

Crimo wird wohl eher in die dritte Gruppe eingereiht: Den „Incels“, englische Abkürzung für „unfreiwillig sexuell enthaltsame Männer“. Ihre Überzeugungen entspringen einer grundsätzlichen Frustration und Verzweiflung über die Welt, die sie vermeintlich ablehnt.

So unterschiedlich diese Tätergruppen sind, für die Experten gibt es im Internet viele Regionen und Themen, wo sie einander begegnen – und so zu einer gemeinsamen Gefahr des rechten Terrors verschmelzen. Und dieser Terror, das zeigen aktuelle Statistiken, ist für zwei Drittel aller Anschläge in den USA verantwortlich.

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