Der Präsident und der Diktator: Weltpolitik unter vier Augen

1961: Kennedy und Chruschtschow in Wien
Trump-Kim ist nicht das erste Treffen eines US-Präsidenten mit einem autoritären Machthaber. Eine Rückschau.

Es ist eine Premiere auf höchster Ebene in der 70-jährigen Geschichte Nordkoreas: Zum ersten Mal trifft ein amtierender US-Präsident den nordkoreanischen Machthaber (Anm.: Bill Clinton traf Kim Jong Il 2009 in Pyöngyang - beide damals mit eisiger Miene - allerdings war Clinton zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr im Amt). Das mit Spannung erwartete Gipfeltreffen zwischen Donald Trump und Kim Jong-un ist für den 12. Juni auf neutralem Boden in Singapur geplant. Was man sich davon erwarten kann, erfahren Sie hier: 

Wir nehmen den Gipfel an dieser Stelle zum Anlass, um auf historisch bedeutende Treffen zwischen dem "Leader of the Free World", wie der US-Präsident in der Zeit des Kalten Krieges oft tituliert wurde, und Diktatoren aus aller Welt zurückzublicken.

Hitler - Hoover (1938): Bizarres Treffen auf Europareise

1932 wird der Republikaner Herbert Hoover mitten in der wirtschaftlichen Depression als US-Präsident abgewählt. Ihm wird wesentliche Mitschuld am Ausbruch der ersten Weltwirtschaftskrise zugeschrieben. Danach zieht sich Hoover über Jahre weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück. 1938 erfolgt dann eine ausgedehnte Europareise des Republikaners, auf welcher er auf zahlreichen Universitäten Ehrendoktorate verliehen bekommt.

Auf Druck des US-Botschafters in Berlin, stimmt Hoover einem Treffen mit Adolf Hitler zu. Das Gespräch driftet mehr und mehr in eine Schimpftirade Hitlers gegenüber Juden, dem Kommunismus und der Demokratie ab. Hitler redet im Stehen auf Hoover ein und muss sich dann vom ehemaligen US-Präsidenten zum Hinsetzen auffordern lassen – eine enorme Provokation.

In der Folge kritisiert Hoover zwar das Menschenbild und das Gerechtigkeitsverständnis der Nazis, rät den USA aber, sich aus dem Konflikt zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion herauszuhalten. 

Churchill - Roosevelt - Stalin (1943): "Die großen Drei"

Das Foto vom Schulterschluss mit dem kommunistischen Diktator Stalin ging in die Geschichtsbücher ein. In der Endphase des Zweiten Weltkrieges treffen sich die alliierten Staatschefs Franklin D. Roosevelt ( USA), Winston Churchill (Großbritannien) mit Josef Stalin (UdSSR) in Jalta auf der Halbinsel Krim.

Die späteren Siegermächte USA, Großbritannien und Sowjetunion legen vom 4. bis 11. Februar 1945 die europäische Nachkriegsordnung fest. Die Konferenz im außerhalb der Stadt gelegenen Zarenschloss ist zugleich ein feuchtfröhliches Gelage mit mehreren Hundert Vertretern der späteren Siegermächte. Heute ist der Kurort selbst Teil eines neuen Konflikts, hat sich doch Russland die Halbinsel Krim einverleibt.

Chrustschow - Kennedy (1961): Neutrales Wien als Schauplatz

Die Augen der Welt sind am 2. und 3. Juni 1961 auf Wien gerichtet: Das Gipfeltreffen zwischen dem US-Präsidenten John F. Kennedy und dem sowjetischen Staats- und Parteichef Nikita Chrustschow findet auf neutralem Boden statt – in Österreich. Erstmals stehen sich die beiden Staatenführer persönlich gegenüber, Ost und West prallt aufeinander. Mehr als 1.500 Journalisten sind als Berichterstatter akkreditiert.

"Die Erwartungshaltung der Weltöffentlichkeit war groß - der Gipfel sollte die wesentlichen Probleme zwischen den Supermächten lösen", sagte Historiker Stefan Karner. Doch mangels konkreter Gipfelergebnisse rückt vor allem das Damenprogramm in den Fokus. Zum einen die "schöne, elegante, junge" Jaqueline Kennedy, so Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi, zum anderen die klischeehaft als "altes, einfaches Bauernweiberl" dargestellte Nina Chruschtschowa.

Als Folge des Wiener Gipfels wird das berühmte Rote Telefon, der direkte Draht zwischen den beiden Führer, eingerichtet.

Mao - Nixon (1972): "Pingpong-Diplomatie"

Als erster US-Präsident besucht Richard Nixon China und wird von Mao Zedong empfangen. Die USA wollen im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion einen Verbündeten gewinnen. Ein Foto, auf dem Nixon - mit Stäbchen essend - mit dem chinesischen Premier Zhou Enlai diniert, geht um die Welt.

Diese Annäherung wurde als „Pingpong-Diplomatie“ bekannt, da zuvor die amerikanische Tischtennis-Nationalmannschaft 1971 Peking besuchte. 1979 erfolgte die offizielle Aufnahme von diplomatischen Beziehungen der beiden Länder.

Reagan - Suharto (1986): Unterstützung für einen Skrupellosen

Der Präsident und der Diktator: Weltpolitik unter vier Augen

Im Laufe der Geschichte suchten die USA auch immer wieder die Nähe zu Regimes, die den eigenen Werten von Demokratie und Freiheit nicht immer ganz nachkamen. Die größte Gemeinsamkeit stellte dabei meist ein gemeinsamer Feind dar: der Kommunismus.

So erklärt sich auch das gute Verhältnis der USA unter Ronald Reagan und der indonesischen Diktatur unter Haji Mohamed Suharto. An die Macht kam dieser 1965 nach einem Massaker an rund 500.000 Kommunisten und linken Studenten. Auch die völkerrechtswidrige Besetzung Osttimors forderte 200.000 Menschenleben – jeder dritte Einwohner starb. Der amerikanischen Unterstützung tat dies keinen Abbruch, der anti-kommunistische Verbündete in Südostasien konnte es sich erlauben. Dementsprechend lud Reagan den Diktator im Herbst 1982 auch ins Weiße Haus zum Abendessen ein.

Bush - Abdullah (2005): Händchen haltend gegen den Iran

Der Präsident und der Diktator: Weltpolitik unter vier Augen

Viele Beobachter können es kaum glauben, was die Kameras auf der Ranch des US-Präsidenten in Crawford, Texas einfangen: George W. Bush und der Saudische Kronzprinz Abdullah begrüßen sich freundschaftlich küssend und schlendern Händchen haltend auf der Ranch herum.

Keine vier Jahre zuvor, nach den Anschlägen vom 11. September 2001, hatte Bush den "War on Terrorism" ausgerufen. 15 der 19 Flugzeug-Entführer waren Saudis - und ebenfalls der Mann, der dahinter steckte: Osama bin Laden. Doch Bush, ebenso wie viele andere US-Präsidenten vor ihm, betrachtete die Saudis als wichtigsten arabische Verbündeten - auch gegen den Iran. Über die Nähe zum Terrorismus sah man da gerne hinweg.

Obama - Mubarak (2009): Pragmatismus statt Idealismus

Der Präsident und der Diktator: Weltpolitik unter vier Augen

Politik ist Kompromiss. Nirgends gilt dies so sehr wie auf der großen internationalen Bühne. Als Barack Obama im August 2009 den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak ins Weiße Haus einlädt, muss der US-Präsident seinen außenpolitischen Idealismus beiseitelegen, nur um das große Ganze im Auge zu behalten. Dieses große Ganze lautet zu dieser Zeit vor allem „Frieden in Nahost“. Obama erweist sich als Pragmatiker und trifft sich mit dem seit 1981 regierenden Diktator.

2011 ändern die USA dann anlässlich der Proteste zum Arabischen Frühling ihren Kurs gegenüber Mubarak. Dieser weigert sich vor Ende seiner offiziellen Amtsperiode zurückzutreten. Obama stellt jedoch klar, dass der Übergang stattfinden müsse – und zwar sofort. Es ist gleichzeitig das „Okay“ der USA zur Revolution in der arabischen Welt

Castro - Obama (2016): "Es un nuevo dia"

Der Präsident und der Diktator: Weltpolitik unter vier Augen

88 Jahre sind vergangen, seit sich das letzte Mal die Staatsoberhäupter Kubas und der USA getroffen hatten. Im März 2016 ist es dann aber wieder soweit. Das Treffen zwischen Barack Obama und seinem kubanischen Kollegen Raul Castro stellt gleichzeitig den Höhepunkt einer Phase der Annäherung zwischen den beiden Staaten dar.

Ganz reibungslos verläuft der Besuch jedoch nicht: So begrüßt Castro Obama etwa nicht persönlich am Flughafen – bei einigen anderen Präsidenten hatte er dies durchaus getan. Auch in Sachen Meinungsfreiheit und Demokratie weisen beide Staatsoberhäupter noch erhebliche Differenzen auf. Dennoch betont Obama optimistisch: „Es un nuevo dia“ („Das ist ein neuer Tag“). Sinnbildlich für die Auflockerung des gespannten Verhältnisses besuchen Obama und Castro ein Baseballspiel in Havanna. Die Fotos, die dort entstehen, sind Stoff für die Geschichtsbücher.

In der Folge des Besuchs wird das Handelsembargo seitens der USA weiter aufgelockert, auch mit dem Reiseverbot für Amerikaner nach Kuba nimmt man es nicht mehr so streng. Bis auf einmal ein gewisser Donald Trump in Washington das Sagen hat. Seither herrscht wieder Eiszeit zwischen den beiden Staaten, erst im Oktober 2017 etwa wiesen die USA 15 kubanische Diplomaten aus.

Mitarbeit: Alexander W. Huber

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