Der nächste General im Liebesnetz

Noch schnell saubermachen vor dem Instagram-Photoshooting
Nach David Petraeus ist jetzt sein Nachfolger in Afghanistan, John Allen, im Visier.

Sie zählen zu den angesehensten Militärs der Gegenwart. Brillant, intelligent, integer. Und doch könnten beide über außereheliche Affären mit gut 20 Jahre jüngeren Frauen stolpern: Der pensionierte Vier-Sterne-General David Petraeus musste als CIA-Chef bereits seinen Hut nehmen. Jetzt ermittelt das Pentagon gegen seinen Nachfolger in Afghanistan, John Allen. Laut US-Medien werden 20.000 bis 30.000 Seiten mit „unangemessenen“ eMails und Briefen zwischen dem 58-jährigen Vier-Sterne-General und Jill Kelley durchforstet. Das ist jene Frau, die indirekt die Affäre Petraeus auffliegen hatte lassen.

Strafbarer Ehebruch

Das FBI hatte die Unterlagen, die Allen belasten, am Sonntag dem Pentagon übergeben. Experten sehen darin einen Hinweis darauf, dass Allen ein Verstoß gegen geltendes US-Militärrecht angelastet werden könnte. Und Ehebruch gilt als ein solcher. Strafrahmen: unehrenhafte Entlassung, Verlust aller Ansprüche und Begünstigungen sowie ein Jahr Arrest.

Petraeus droht kein derartiges Verfahren. Er war clever genug, seine Affäre mit Paula Broadwell erst in seiner Zeit als pensionierter Militär zu beginnen. Und als CIA-Chef kann er wegen Ehebruchs nicht strafrechtlich verfolgt werden. Allerdings wegen Geheimnisverrats, sollte es einen solchen gegeben haben. FBI-Mitarbeiter durchsuchten in der Nacht zum Dienstag Broadwells Haus in Charlotte, North Carolina.

Karrieresprung auf Eis

Allen, aktiver Vier-Sterne-General, der ein Fehlverhalten zurückwies, stand hingegen gerade vor seinem nächsten Karrieresprung. Allen wurde von den NATO-Verteidigungsministern bereits als neuer NATO-Oberkommandierender für Europa angenommen. Am Donnerstag sollte er im Senat dazu Rede und Antwort stehen und Anfang 2013 den Job übernehmen. Diese Bestellung liegt jetzt nach Absprache mit Präsident Barack Obama auf Eis, sagte US-Verteidigungsminister Leon Panetta am Dienstag. Allen bleibe vorerst auf seinem Posten in Afghanistan. Panetta drängte aber den Senat, Allens Nachfolger am Hindukusch, General Joseph Dunford, rasch durchzuwinken.

Allans und Kelleys eMails und Briefe zwischen 2010 und 2012 werden vom Pentagon unter die Lupe genommen. Damals wurde Allan vom Oberkommando der US-Streitkräfte auf der Militärbasis in Tampa, wo er Kelley kennengelernt hatte, als Stellvertreter von Petraeus nach Afghanistan berufen. 2011 übernahm Allan dann das Kommando, als Petraeus in die CIA-Zentrale wechselte.

Kelley und ihr Mann Scott gelten als Freunde der Familie Petraeus und leben in Tampa. Eine Affäre zwischen Jill Kelley und David Petraeus wird in den USA ausgeschlossen. Dennoch erhielt Kelley im Mai des Vorjahres anonym Droh-Mails, die sie einem befreundeten FBI-Mitarbeiter zeigte. Der Mann, der kurioserweise Kelley ein Foto mit nacktem Oberkörper per eMail sandte, brachte die Ermittlungen ins Rollen. Die Verfasserin war bald identifiziert: Paula Broadwell (40). Auch Broadwell ist verheiratet und hat zwei Kinder. Kelley soll jetzt laut CBS die Krisenmanagerin Judy Smith, die auch schon Monica Lewinski vertreten hatte.

„Zickenkrieg“

Das US-Magazin Newsweek zitiert Geheimdienst-Kreise, die eine Art „Zickenkrieg“ beschreiben. Es seien gar nicht so sehr Lass-die-Finger-von-meinem-Kerl-Äußerungen von Broadwell an Kelley gewesen. „Das war mehr wie: ‚Was denkst du, wer du bist?...Wie du über die Basis stolzierst...Halt dich mal zurück.‘“, schreibt Newsweek.

Die New York Times zitiert ein eMail, in dem Broadwell ihrer vermeintlichen Rivalin vorwarf, sie habe Petraeus unangemessen unter dem Esstisch „angefasst“.

Offenbar war Broadwell nervös: Genau in die Zeit der Droh-Mails fällt auch Petraeus Schlussstrich unter die Affäre. Jetzt versucht er seine 38-jährige Ehe zu retten. Denn seine Frau Holly ist mehr als wütend.

Wer auch immer David Petraeus als Direktor des US-Geheimdienstes CIA ersetzen wird, müsse eine wichtige Qualität besitzen: Er müsse das volle Vertrauen von Präsident Obama haben. Das sagt John McLaughlin, ein früherer Vize-Chef der CIA, zum KURIER. „Eine der Hauptanforderungen ist, dass der Direktor jemand sein muss, dem der Präsident nahe steht und mit dem er sich persönlich wohl fühlt, da so viel von dem, was die CIA produziert, direkt für den Präsidenten bestimmt ist,“ so McLaughlin, der jetzt an der Eliteuniversität Johns Hopkins in Washington unterrichtet.

Bis Obama einen Ersatz für Petraeus findet, hat der stellvertretende CIA-Direktor Michael Morell vorübergehend dessen Aufgaben übernommen. „Wenn so etwas in der CIA passiert, verbringt man nicht viel Zeit, nach hinten zu schauen, weil die Dinge so schnell auf einen zukommen“, erklärt McLaughlin, der selbst 2004 das Ruder der Behörde als amtierender Chef für ein paar Monate übernehmen musste. Der US-Geheimdienst sei an Krisensituationen gewohnt. „Letztendlich ist das eine Behörde, die mit Krisen, Druck und Unsicherheiten zu tun hat. In Zeiten wie diesen verliert keiner den Kopf“, so der frühere Direktor. In der CIA gebe es einen genauen Ablauf darüber, wie man mit Führungswechseln umzugehen hat. In den vergangenen sieben Jahren habe es vier Chefs an der Spitze des Geheimdienstes gegeben. „Also gibt es keine Unterbrechung bei den Operationen oder der analytischen Arbeit.“

Morell habe eine enge persönliche und berufliche Beziehung zum jetzigen Verteidigungsminister Leon Panetta aus der Zeit, in der Panetta die CIA leitete. Auch zu Obama habe er einen guten Draht und war in die Operation gegen Osama bin Laden involviert: „Ich glaube er hat das Vertrauen des Präsidenten, weil er während Obamas Präsidentschaft in alle wichtigen Operationen der CIA involviert war. Im Weißen Haus kennt man ihn sehr gut“.

Sex, we can“ – in Amerika reden alle über die amouröse Affäre von Ex-CIA-Direktor David Petraeus, in die jetzt auch der Befehlshaber der internationalen Truppe in Afghanistan, John Allen, hineingezogen wird. Spannendes Infotainment. Doch ist ein Seitensprung des Vier-Sterne-Generals a. D. wirklich wichtig für die Zukunft des Landes? Ja, aber nur in einem Fall: Dann nämlich, wenn er militärische oder sicherheitsrelevante Informationen weitergegeben hat.

Kam es dazu, ist das ein Skandal. Wurden Bett und Akten aber sorgfältig getrennt, schaut die Sache anders aus. In diesem Fall ist der CIA-Chef zwar eine brisante Liaison eingegangen, um deren Risiko der stramme Soldat wusste, die er aber mit sich, seinem Gewissen und jetzt mit seiner Familie ausmachen muss. Es war ein ganz normaler Fehltritt, wie er überall auf der Welt in allen Gesellschaftsschichten vorkommt. Und – mit Ausnahme der schlampigen Informationspolitik des FBI – ist es sicher keine Staatsaffäre. Die Aufwallungen spiegeln vielmehr das Sittenbild im puritanischen Amerika wider, wo es darum geht, die Fassade der heilen Welt aufrechtzuerhalten. Zugleich lenken sie von den wirklich drängenden Problemen ab – allen voran vom demnächst drohenden Fiskal-Debakel.

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