Der Außenpolitiker
Da dürfte es hilfreich sein, dass das neue Führungsduo aus den beiden Flügeln der Grünen kommt: Der 46 Jahre alte Realo Omid Nouripour und die 28 Jahre alte Linksfundamentalistin Ricarda Lang. Als „Scharnierfunktion“ bezeichnet Nouripour seine neue Aufgabe. Er, der mit seiner Familie aus dem Iran flüchtete, als er 13 Jahre alt war, und der eine Kalaschnikow auseinandernehmen kann, ist in der Sicherheits- und Außenpolitik „daheim“ und diskutiert laut eigenen Angaben gerne mit Andersdenkenden. Eine Überzeugung, die in der Familie liegen dürfte: Seine Schwester Ava Nouripour-Welteke ist Mitglied der FDP, ihr Mann, der frühere Bundesbankchef Ernst Welteke, in der SPD.
Das neue Führungsduo erbt von Baerbock und Habeck einen ganzen Berg schwieriger Aufgaben. Dazu gehören auch die umstrittenen Corona-Sonderzahlungen von jeweils 1.500 Euro, die sich der Bundesvorstand im Jahr 2020 selbst gewährt hat. Die Gelder wurden zurückgezahlt, doch die Staatsanwaltschaft hat nun Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts der Untreue aufgenommen.
Die junge Linke
Eine Herausforderung, die Ricarda Lang gerne annimmt: Mit nur 28 Jahren will sie die Führung der Regierungspartei übernehmen – so etwas gab es in Deutschland noch nicht. Lang, die seit Mittwoch mit dem Coronavirus infiziert ist und ihre Bewerbungsrede digital halten wird, wird von vielen als identitätspolitische Linke gesehen, beschäftigt sich vor allem mit gerechten Löhnen.
Die Tochter einer alleinerziehenden Sozialarbeiterin meint, arm seien ihre Mutter und sie zwar nicht gewesen, doch das erklärt, dass Lang höhere Löhne wichtiger sind als Genderquoten. Man müsse daran arbeiten, dass die Grünen auch in nicht akademischen Schichten und im prekären Dienstleistungssektor Glaubwürdigkeit gewinnen. Die Haltung dürfe dabei nicht sein: „Damit ihr nicht bei unserem Öko-Projekt abspringt, sorgen wir auch dafür, dass ihr ein bisschen besser bezahlt werdet“, sagt Lang gegenüber der Zeit.
Vor allem bei ihrem Kernthema Umweltschutz sehen sich die Grünen mit manch bitterer Erkenntnis konfrontiert: Am Neujahrstag musste die grüne Umweltministerin Steffi Lemke gegen das Vorhaben der EU-Kommission protestieren, die Energiegewinnung aus Atomanlagen als nachhaltig einzustufen. Und vor zwei Wochen räumte Habeck ein, dass Deutschland bei den Zielen zur -Minderung und dem Ausbau erneuerbarer Energien einen „gehörigen Rückstand“ habe.
Für die Parteibasis sind solche Botschaften bittere Pillen – schließlich gibt es gerade an Habeck und sein gewichtiges Klima- und Wirtschaftsministerium enorme Erwartungen. Selbst in der scheidenden Parteiführung geht die Angst um, die Klimabewegung könnte sich enttäuscht von den Grünen abwenden.
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