Eine dreifache Null wäre der große Erfolg: Null Zölle, null Dumping, null Quoten wollten die EU und Großbritannien für ihren geplanten Handelspakt anpeilen. Doch nach mittlerweile neun Verhandlungsrunden, seit das Vereinigte Königreich die EU Ende Jänner verließ, zeichnet sich das mögliche Ergebnis immer düsterer ab: Null Lösung.
Die ganze Problematik wird ab heute auch ein zentrales Thema des EU-Gipfels in Brüssel sein.
Die Zeit drängt. Bis Ende Oktober, allerlängstens bis Anfang November, müssten an die tausend Seiten Vertragstext auf dem Tisch liegen: Darin wäre geregelt, wie die EU und ihr Ex-Mitglied künftig miteinander Handel treiben wollen.
Keine Verlängerung
Denn eines steht unumstößlich fest: Am 31. Dezember verlässt Großbritannien den europäischen Binnenmarkt und den gemeinsamen Zollraum. Eine Verlängerung wird es nicht geben, das hat der britische Premier Johnson schon im Sommer ausgeschlossen.
Der wahre Bruch, mit bitteren wirtschaftlichen Folgen, droht erst dann – sollte es bis dahin kein gemeinsam ausgehandeltes und auch schon unterschriebenes Abkommen geben.
„Wir müssen uns bis zum 15. Oktober einigen“, hatte Johnson ultimativ schon vor Wochen verlangt. Doch seine eigene Frist kümmerte ihn zuletzt offenbar ebenso wenig wie die Verhandler in Brüssel. Es wird bis zum letzten Moment um ein Abkommen gerungen. Ein weiteres, recht unergiebiges Telefonat zwischen ihm und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen änderte am Mittwoch daran wenig.
„Kleine Fortschritte“
Und auch die 27 EU-Staats- und Regierungschefs können sich heute beim EU-Gipfel in Brüssel nur informieren lassen: Über Verhandlungen, die „kleine Fortschritte gebracht haben“, wie es ein mit den Gesprächen vertrauter EU-Diplomat formuliert, „aber sicher nicht den Durchbruch“. Und ein letztes Mal werden sie EU-Chefverhandler Michel Barnier den Auftrag mitgeben: „Die Verhandlungen mit dem Ziel intensivieren, dass ab 1. Jänner 2021 ein Abkommen angewendet werden kann.“
Bei drei Streitpunkten stecken die Verhandlungen seit je her fest: Will Großbritannien weiter Zugang zum europäischen Binnenmarkt haben, beharrt die EU bei den Briten auf gleiche Wettbewerbsbedingungen – also gleiche Sozial–, Umwelt- und Beihilfestandards. Gestritten wird auch darüber, vor welchem Gericht künftige Streitfälle zwischen den geschiedenen Partnern geklärt werden sollen.
Und da wären schließlich noch die Fischereirechte – wo Großbritannien am längeren Hebel sitzt. „Aber wenn man sich in den beiden anderen, großen Fragen einigt, wird es sicher nicht an den Fischen scheitern“, geben sich Verhandler in Brüssel überzeugt.
Auch der hart auftretende französische Präsident Emmanuel Macron weiß: Gibt es keinen Deal mit London, haben die französischen Fischer gar keinen Zugang zu den britischen Gewässern.
Doch obwohl die Uhr tickt, zeichnen sich weder Annäherung noch ein Deal ab. Mit Eilschritten naht stattdessen ein wirtschaftliches Desaster. Und das nicht nur für Großbritannien: Mit dem Vereinigten Königreich hat die EU ein Sechstel ihrer Wirtschaftskraft verloren.
„Die Folgen der Trennung werden gravierend sein“, warnte jüngst Ifo-Chef Clemens Fuest, „und sie werden uns noch lange beschäftigen.“
Noch schlimmer wird es Großbritannien treffen: Ein Doppelschock aus Corona und Brexit steht den Briten ins Haus. Bei einem No-Deal muss sich das Königreich auf den stärksten Wirtschaftseinbruch seit 100 Jahren (in Friedenszeiten) einstellen.
Und so meint auch Johnson: „Ein Deal ist für beide Seiten besser.“
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