Der Adelige auf Mission Impossible

UN-Syrien-Emissär Staffan de Mistura gilt als "chronischer Optimist"
Mit Beginn der neuen Dialog-Runde gerät UN-Syrien-Vermittler Staffan de Mistura wieder in den Fokus.

Der Adelsspross gilt als chronischer Optimist mit Hang zu unkonventionellen Lösungen. Notfalls würde er mit dem Teufel verhandeln, heißt es, wenn das denn einer Konfliktbeilegung dienlich sein könnte. Der italienisch-schwedische Spitzendiplomat Staffan de Mistura hat derzeit den unmöglichsten Job der Welt: Als UN-Sondergesandter für Syrien soll der 69-Jährige eine politische Lösung für den Krieg in Syrien zu Wege bringen. Die Gespräche in Genf mit den vielen Beteiligten samt deren unterschiedlichsten Interessen sollen ab dem kommenden Wochenende in Genf neuerlich aufgenommen werden.

Statt Capri Damaskus

Dabei könnte der studierte Politologe seinen Lebensabend ruhig im idyllischen Capri ausklingen lassen. Dort hatte ihn auch in der Villa Michele, wo de Mistura eine schwedische Kulturstiftung leitete, im Juli 2014 der Anruf von Ban Ki-moon erreicht. Die Bitte des UN-Generalsekretärs: Er möge doch die "Mission Impossible" in Syrien übernehmen. Kurz überlegte der Karriere-Diplomat, waren doch an dieser Aufgabe schon zwei Hochkaräter zerschellt. Nach und nach hatten Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan und der renommierte UN-Streitschlichter Lakhdar Brahimi das Handtuch geworfen.

Doch Staffan de Mistura willigte ein. Und das hat auch viel mit seinem Vater zu tun. Dieser stammte aus einer italienischen Adelsfamilie aus Sibenik in Dalmatien (heute Kroatien), das lange zur Republik Venedig gehört hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Vater zehn Jahre lang staatenloser Flüchtling. Schweden wurde sein Asylland. Dort entsprang Sohn Staffan aus der Beziehung mit einer Schwedin. "Schon mit zehn Jahren habe ich gewusst, dass der größte Schmerz für einen politischen Flüchtling der Mangel an Würde ist", vertraute er der britischen Tageszeitung The Guardian an.

Sieben Sprachen

Sein Vater habe ihn gelehrt, sagte der nunmehrige UN-Vermittler für Syrien in einem früheren Interview, eine andere Sicht auf die Welt zu haben, als die des Krieges. Und diesen Weg beschritt Staffan de Mistura konsequent: Nach Abschluss einer Jesuitenschule in Rom, wohin die Familie übersiedelt war, studierte er Politikwissenschaften – mit Schwerpunkt Krisenmanagement in Konfliktgebieten.

Ab 1971 folgte eine UN-Bilderbuch-Laufbahn, die den Akademiker, der fließend Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch und Schwedisch spricht und auch etwas Arabisch, in die finstersten Winkel dieser Erde brachte: Unter anderem war er in Ruanda, in Afghanistan, in Somalia, im Sudan und Irak oder im früheren Jugoslawien zur Stelle, wenn es brannte.

Kamele gemietet

Dabei heiligten für den Diplomaten, der gerne Maßanzüge trägt und den italienischen Adelstitel Marchese führt, auch unkonventionelle Mittel den Zweck: So überredete er in Kabul kommerzielle Airlines, kostenlos Lebensmittel in die afghanische Hauptstadt zu fliegen; in Sarajewo brachte er Schmuggler dazu, Medikamente und Nahrung in die belagerte bosnische Kapitale zu schaffen; und im Sudan mietete er Kamele, um Impfstoff in entlegene Dörfer zu transportieren.

In Syrien freilich ist alles noch komplizierter. Staffan de Mistura spricht und verhandelt mit Männern, die die Macht haben, auch mit Staatspräsident Bashar al-Assad, und mit Männern, die sie gerne hätten; mit kleinen unberechenbaren Warlords und mit den großen Playern, auch mit den internationalen; mit Pragmatikern und Fanatikern, an deren Händen Blut klebt. Bis jetzt hat dieses oft grausame Geduldspiel den alten Hasen nicht mürbe gemacht.

"Zu viel Leid"

"Die Menschen in Syrien sagen: ,Es reicht‘. Es gibt zu viel Leid und zu viel Sterben", begründet der Sondervermittler, warum er nicht davon ablässt, das scheinbar Unmögliche doch zu schaffen. Zugute kommt ihm, dass er die Region wie seine Westentasche kennt, war er doch zwischen 2001 und 2004 als persönlicher Repräsentant des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan im Libanon tätig.

Seinem lebenslangen Credo blieb de Mistura bisher auch bei seinem jetzigen Job treu: "Ich habe die Tendenz, in jeder Krise eine Chance zu sehen. Mein Beruf hat mich zum Optimisten gemacht."

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