Die Welt ist schlecht – dieser Stoßseufzer ertönt gerne, wenn irgendwo Menschenrechte oder demokratische Werte mit Füßen getreten werden. Eine aktuelle Studie scheint den Seufzer zu bestätigen: Die Demokratie ist weltweit auf dem Rückzug. Nur noch 6,4 Prozent der Weltbevölkerung lebten im vergangenen Jahr in einer „vollständigen Demokratie“ (nach ohnehin schon bescheidenen 6,8 Prozent im Jahr davor), 45,7 Prozent wenigstens in irgendeiner Form der Demokratie (und auch das sind weniger als die 49,4 Prozent davor). Aber mehr als ein Drittel der Menschen lebt in einer Diktatur, nämlich 37,1 Prozent mit einem leichten Plus zum Vorjahr. Der Anteil der autoritär regierten Staaten ist auch im vergangenen Jahr gestiegen.
Die britische Economist-Gruppe ermittelt jährlich einen „Demokratieindex“, basierend auf fünf Kategorien: Wahlprozess und Pluralismus, Funktionieren der Regierung, politische Partizipationsmöglichkeiten, demokratische Kultur und Bürgerrechte. Global ist dieser Index (siehe ganz rechts unten) auf einer zehnteiligen Skala im Schnitt von 5,37 auf 5,28 Punkte gefallen – das höchste Minus seit 2006 und 2010 und der Finanzkrise.
Bürgerrechte beschnitten
Hauptgründe für die schlechten Werte: Autoritäre Regime, die noch autoritärer werden und deren Zahl wächst; und die Pandemie. Durch Lockdowns und Reisebeschränkungen wurden Bürgerrechte in entwickelten Demokratien als auch in autoritären Systemen eingeschränkt oder außer Kraft gesetzt, heißt es in der Studie.
Bei den voll entwickelten Demokratien liegt Norwegen mit einem Indexwert von 9,75 vor Neuseeland, Finnland, Schweden und Island an der Spitze. Österreich liegt nach Mauritius und vor Costa Rica auf Platz 20 und damit gerade noch in der Gruppe der demokratischen Musterschüler. Auffallend ist, dass Österreich von einem Mittelfeldplatz noch 2012 (Wert: 8,62) kontinuierlich abgestiegen ist (aktueller Wert: 8,07).
Für die Politologin Julia Partheymüller von der Uni Wien hat das auch mit der innenpolitischen Situation, den Migrationsdebatten, dem Ibiza-Video, den schon vor den Chats immer wieder thematisierten Postenschachern etc. zu tun. Zumal der Demokratieindex auf Umfragen, also der Wahrnehmung der Bevölkerung, und Experteneinschätzungen basiert und hohe Schwankungsbreiten hat.
„Insgesamt spricht man schon länger von einem weltweiten Rückgang der Demokratie, unabhängig von der Pandemie“, sagt Partheymüller. Mit verantwortlich dafür: eine Politik, die oft versuche, ihre Ziele unter Umgehung oder Aushebelung der Justiz zu verfolgen, wie etwa die Beispiele Ungarn, Polen zeigten, „und in Ländern mit Entwicklungsrückstand ist das natürlich noch drastischer“.
Ereignisse wie in den USA, als Ex-Präsident Donald Trump versuchte, das Wahlergebnis zu kippen und Joe Biden als Präsident zu verhindern, wirkten sich auf das Demokratiebild ebenfalls aus. Trotzdem fielen die USA nur um 0,07 Punkte zurück (die Biden-Inauguration machte Terrain gut): Sie liegen auf Platz 26, aber schon in der Kategorie „mangelhafte Demokratien“. Dorthin fiel auch Spanien zurück (Platz 24), wegen einer schwächeren Einschätzung der Unabhängigkeit der Justiz.
Für die Politologin Julia Partheymüller von der Uni Wien hat das auch mit der innenpolitischen Situation, den Migrationsdebatten, dem Ibiza-Video, den schon vor den Chats immer wieder thematisierten Postenschachern etc. zu tun. Zumal der Demokratieindex auf Umfragen, also der Wahrnehmung der Bevölkerung, und Experteneinschätzungen basiert und hohe Schwankungsbreiten hat.
„Insgesamt spricht man schon länger von einem weltweiten Rückgang der Demokratie, unabhängig von der Pandemie“, sagt Partheymüller. Mit verantwortlich dafür: eine Politik, die oft versuche, ihre Ziele unter Umgehung oder Aushebelung der Justiz zu verfolgen, wie etwa die Beispiele Ungarn, Polen zeigten, „und in Ländern mit Entwicklungsrückstand ist das natürlich noch drastischer“.
Lateinamerika hat den durchschnittlich stärksten Rückgang beim Demokratieindex zu verzeichnen. Und unter der wachsenden Zahl der als autoritär gelisteten Regime liegt Russland auf Platz 124 und somit 24 Ränge vor dem Olympia-Austragungsland China. Das Reich der Mitte hat einen Demokratie-Index von 2,21 – „China ist nicht demokratischer geworden, während es reicher geworden ist. Im Gegenteil, das Land ist unfreier geworden“, heißt es in dem Bericht.
Als Schlusslicht auf Platz 167 wurde Nordkorea in der aktuellen Studie von Afghanistan abgelöst.
Die Politologin Partheymüller will nicht nur schwarz sehen: Der Demokratieindex, in den auch kumulierte Unzufriedenheit einfließe, sei „schon auch ein bisschen alarmistisch. Es gibt andere Studien, die zeigen, dass auf lange Sicht die Zustimmung zur Demokratie weltweit weiterhin auf sehr hohem Niveau liegt“.
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