Dem Plastiksackerl geht's an den Kragen

Dem Plastiksackerl geht's an den Kragen
EU-Kommission will die dünnen Einweg-Sackerln deutlich reduzieren.

Die EU-Kommission sagt Einweg-Plastiksackerln den Kampf an: „Jedes Jahr landen in Europa mehr als acht Milliarden davon auf dem Müll und verursachen enorme Umweltschäden“, sieht EU-Umweltkommissar Janes Potocnik Handlungsbedarf. Betroffen sei vor allem die Meeresflora.

Dem Plastiksackerl geht's an den Kragen
epa03859095 European Commissioner for Environment, Janez Potocnik, attends a news conference on a new legislation to protect biodiversity against problematic invasive species, at the EU Commission headquarters in Brussels, Belgium, 09 September 2013. EPA/JULIEN WARNAND

Allerdings betreffen die EU-Pläne lediglich einen kleinen Teil der Kunststoff-Tragtaschen, die in Österreich verwendet werden. Einschränkungen soll es laut dem Umweltkommissar nur für Sackerln mit einer Wandstärke unter 50 Mikron (entspricht 50 Tausendstel Millimeter) geben. Das sind die durchsichtigen Kunststoff-Sackerln, die in Österreich hauptsächlich für das Abwiegen von Obst oder Gemüse verwendet werden. Die Kommission hält eine Reduktion um 80 Prozent für machbar.

Die üblichen Kunststoff-Tragtaschen, etwa von Merkur, Spar oder Hofer , sind von den EU-Plänen nicht betroffen. Es wird sie auch in Zukunft geben. Laut Zahlen der Kommission wurden in der EU im Jahr 2010 rund 986 Milliarden Plastiksackerln in Umlauf gebracht. Das entspricht einem Pro-Kopf-Verbrauch von 198 Stück pro Jahr.

Sackerl-Abgabe

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In mehreren osteuropäischen Staaten sowie in Portugal werden rund 500 Taschen pro Einwohner und Jahr verwendet, in Österreich hingegen sind es nur rund 50. In Dänemark hat sich der Verbrauch durch die Einführung einer Steuer auf nur vier Plastiksackerln pro Jahr reduziert.

„Die festen, dicken Tragtaschen sind bei uns derzeit schon nicht gratis“, betont Leopold Katzmayer, Präsident der Vereinigung österreichischer Kunststoffverarbeiter. Nach wie vor ist es laut EU-Recht verboten, einen bestimmten Werkstoff zu diskriminieren.

Daher sind bisher auch alle Versuche gescheitert, Kunststoffsackerln zu verbieten. Die Kommission benötigt für ihr Vorhaben, die dünnen Sackerl deutlich zu reduzieren, die Zustimmung des EU-Parlaments sowie der Mitgliedsstaaten.

Für die Altstoff Recycling Austria (ARA) haben Kunststoffsackerln nur eine „geringe Relevanz“. Insgesamt werden in Österreich jährlich etwa 180.000 Tonnen „Leichtverpackungen“ gesammelt. Ein Großteil davon sind Kunststoffflaschen oder Joghurtbecher.

Etwa 105.000 Tonnen Leichtverpackungen werden als Brennstoff verwendet. 75.000 Tonnen gehen in die „stoffliche Verwertung “ (Recycling), etwa für die Herstellung von Kunststoff-Tragtaschen.

Recycling-Tragtaschen

Von den dicken Plastiksackerln, die der Rewe-Konzern (Merkur, Billa) verkauft, werden 80 Prozent aus Altkunststoff hergestellt. Auch bei Adeg und Bipa wurde auf Recycling umgestellt.

Einige Regionen wie Wien verzichten auf das Sammeln von Plastiksackerln. Die Kunststoff-Tragtaschen werden daher oft als Müllsackerln benutzt. Somit sind sie Gratis-Brennstoff für die Müllverbrennungsanlagen.

Dass der Müll andernorts ganze Städte füllt, sehen Sie hier:

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Österreichische EU-Parlamentarier haben den Vorschlag der EU-Kommission durchwegs positiv angenommen. "Es ist richtig, mehr gegen die Plastiksackerl-Flut zu machen", so etwa der ÖVP-Europaabgeordnete Richard Seeber. Die SPÖ-Europaabgeordnete Karin Kadenbach mahnte aber in einer Stellungnahme gegenüber der APA darauf zu achten, dass die Konsumenten "nicht über Gebühr zur Kasse gebeten werden." Die grüne EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek forderte zudem eine rasche Umsetzung per Gesetz.

Für Lunacek ist das Plastiksackerl "ein Symbol der Wegwerfgesellschaft und vollkommen unnötig". Sie wies darauf hin, dass einige EU-Staaten und andere Regionen der Welt bereits erfolgreich entsprechende Maßnahmen umgesetzt hätten. "Die EU sollte diese Erfahrungen nutzen und einen Gesetzesrahmen für die Vermeidung von Wegwerf-Plastiksackerl und den durch diese verursachten Plastikmüll schaffen." Auch ein generelles Verbot von Plastiksackerl sollte explizit erlaubt sein. "Wir fordern die Kommission auf, diesem Gesetz Priorität zu geben, damit eine Verabschiedung noch vor dem Ende dieser Legislaturperiode möglich ist."

Der ÖVP-Abgeordnete Seeber begrüßte den Plan, die EU-Richtlinie zu Verpackungsmüll um die Reduzierung von Plastiksackerl zu ergänzen: "Dabei ist aber gleichzeitig den Mitgliedstaaten weitgehend freie Wahl zu lassen, mit welchen Mitteln sie dieses Ziel erreichen. Ich rufe die Mitgliedstaaten bei ihren Maßnahmen zu einer Gesamtbetrachtung aller ökologischen Aspekte auf", lautete sein Kommentar.

Die SPÖ-Europaabgeordnete Kadenbach, Mitglied im Umweltausschuss, sah in den Plänen der EU-Kommission "ein gutes Zeichen". Eine zusätzliche Möglichkeit, der Flut an Plastiksackerl Herr zu werden, wären Anreize für Recyclingtaschen.

Müllhalde Meer: Rund zehn Millionen Tonnen Müll gelangen pro Jahr in die Weltmeere, drei Viertel davon ist demnach Plastik. Das Material ist langlebig - Experten gehen von bis zu 450 Jahren aus - und daher eine Gefahr für die Umwelt. Dort, wo besonders viel Abfall schwimmt, spricht man von Müllstrudeln. Hochrechnungen zufolge ist dort von sechsmal mehr Plastikteilen als Planktonorganismen auszugehen.

Tiere: Wegen der riesigen Müllteppiche im Meer sterben jährlich hunderttausende Vögel und Meeressäuger. Sie verheddern sich zum Beispiel im Plastikmüll oder fressen Kunststoff. Eine Folge sind schwere Verletzungen, an denen die Tiere sterben können. Über die Nahrungskette könnten winzige Teilchen auch in den menschlichen Körper gelangen, warnen Fachleute.

Plastiksackerl: Jeder Einwohner der Europäischen Union nutzt im Schnitt 198 Plastiksackerl pro Jahr. Zu denen, die am wenigsten zu den Sackerln greifen, gehören laut EU-Kommission die Iren. Bei ihnen sind es durchschnittlich 20 Stück, darunter 18 Einwegbehältnisse. In Dänemark und Finnland nutzen die Menschen 79 beziehungsweise 77 Sackerln - darunter sind jeweils nur vier Einwegtaschen. In Bulgarien sind es 421, mehr als die Hälfte davon wird nur ein Mal verwendet. Für Portugal werden insgesamt mehr als 500 angegeben. In Österreich sind es demnach 51 (45 davon Einweg).

Biologisch abbaubar statt Plastik: In Österreich haben in den vergangenen Jahren etliche Unternehmen und Kleinregionen, aber auch das Umweltministerium selbst im Rahmen von Pilotprojekten versucht, statt der Einweg-Plastiksackerl Alternativen anzubieten, die etwa aus Kartoffel-Stärke hergestellt wurden und somit biologisch abbaubar sind. Aus Indiens Hauptstadt Neu Delhi wurden Plastiksackerl komplett verbannt, während in Deutschland die Grünen die Einführung einer Steuer von 22 Cent pro Plastiksackerl vorgeschlagen haben.

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