De Maiziere verteidigt neues Sicherheitskonzept

De Maiziere verteidigt neues Sicherheitskonzept
Deutscher Innenminister fordert "starken Staat" angesichts internationaler Bedrohungen - und will die Polizeibehörden der Länder besser koordinieren. Diese arbeiten noch immer mit 16 verschiedenen, inkompatiblen IT-Systemen.

Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere hat seine Vorschläge zur grundlegenden Reform der Sicherheitsbehörden erneut gegen Kritik verteidigt. "Die Abstimmungen sind nicht gut genug angesichts internationaler Bedrohungen", sagte de Maiziere am Dienstagabend im ZDF-"heute-journal". Nötig seien "die Sachkenntnis vor Ort, in den Ländern, aber auch mehr Steuerung durch einen starken Staat".

Auf die Frage, ob eine solche Machtkonzentration beim Zentralstaat nicht eine Abkehr von einem bisher wichtigen föderalen Prinzip sei, antwortete de Maziere: "Wir sind ja nicht mehr in den 50er, 60 er Jahren, sondern wir sind ein Staat, der internationalen Bedrohungen ausgesetzt ist." Der Vorwurf, eine Neuordnung der Zuständigkeiten sei Machtmissbrauch, sei daher "nicht mehr angebracht".

Zuständigkeiten für Abschiebung waren nicht koordiniert

Zum Fall des mutmaßlichen Berlin-Attentäters Anis Amri sagte de Maiziere im ZDF, die Zuständigkeiten für eine Abschiebung des Tunesiers seien zwischen den Behörden nicht koordiniert genutzt worden. "Die Abschiebehaft für ausreisepflichtige Gefährder, das muss schneller gehen", forderte der CDU-Minister. Er freue sich, dass SPD-Chef Sigmar Gabriel in diesem Punkt nun endlich seine Zustimmung erteile.

De Maiziere hatte in der Dienstagsausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sein neues Sicherheitskonzept vorgestellt. Es sieht unter anderem mehr Kompetenzen der Bundespolizei sowie "Bundesausreisezentren" vor. Dafür sollen die deutschen Bundesländer die Möglichkeit erhalten, dem Bund die Verantwortung für die letzten Tage oder Wochen des Aufenthalts von Ausreisepflichtigen zu übertragen.

Polizei traditionell strikt Ländersache

Der deutsche Innenminister erntete dafür viel Kritik - vom Koalitionspartner SPD ebenso wie von der Opposition und aus den Ländern, die um ihre Zuständigkeiten für die Polizei fürchten. In de Maizieres Sicherheitskonzept ist unter anderem die Auflösung der Verfassungsschutzbehörden der Länder angedacht. „Der Abschaffung der Landesämter für Verfassungsschutz wird die SPD nicht zustimmen“, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Eva Högl, der Nachrichtenagentur Reuters.

De Maiziere verteidigt neues Sicherheitskonzept
epa04090442 German parliamentarian of the Social democrats, Eva Hoegl speaks during a debate on the recommendations made by the NSU investigation committee at the German Bundestag in Berlin, Germany, 20 February 2014. EPA/WOLFGANG KUMM

Der Verfassungsschutz in den Ländern könne die jeweilige Lage deutlich besser beurteilen. Auch ein Bundesamt bräuchte immer regionale Stellen, sagte die SPD-Politikerin. Das Bundesamt für Verfassungsschutz solle nun erstmal auf Basis seiner gegenwärtigen Kompetenzen gut arbeiten. Für eine Zentralisierung des Verfassungsschutzes gebe es "weder einen Anlass noch gute Gründe".

16 Länder - 16 verschiedene Systeme

Unterstützung bekommt de Maiziere hingegen vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). "Die Informationswege müssen endlich verbindlich und verpflichtend gemacht werden, und die Bewertung muss beim Bund in einer Behörde vorgenommen werden - und nicht in 16 Ländern", sagte BDK-Chef André Schulz. Aus Schulz' Sicht ist der Föderalismus in seiner jetzigen Form ein Sicherheitsrisiko. „Alle Behörden benutzen inkompatible IT-Systeme und leisten sich einen teilweise rudimentären Informations- und Datenaustausch“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Für die notwendigen einheitlichen polizeilichen IT-Systeme sollte die Zuständigkeit beim BKA liegen, die dann verbindliche Vorgaben machen können.“ Es sei an der Zeit, die Sicherheitsarchitektur Deutschlands auf den Prüfstand zu stellen.

Langfristiges Projekt

Bereits im Dezember 2015 hatte der damalige Justizsenator Thomas Heilmann eine Vereinheitlichung der IT-Systeme der Polizeibehörden angekündigt. Die Erneuerung der IT-Systeme könne sich allerdings bis 2030 hinziehen, hieß es damals.

In deutschen Medien wurde der Vorstoß des Innenministers unterschiedlich aufgenommen. "Vor allem in den Augenblicken der Krise, gut 70 Jahre nach Ende der Diktatur, ist es angebracht, mit scharfem Verstand, kühlem Kopf und nüchternem Blick zu fragen, ob das Grundgesetz der Wirklichkeit nicht so angepasst werden muss, dass es auch in Zeiten neuer Gefahren für Sicherheit sorgt, ohne das Wesen der freiheitlichen Grundordnung zu zerstören", kommentierte Jacques Schuster in der Welt. Die Frankfurter Rundschau sieht die Pläne de Maizieres kritischer. "Über den Umbau zur Mammutbehörde würden bis zur Fertigstellung Jahre vergehen, in denen die Beamten sich von der Terrorabwehr wegen Betriebsstörungen auf der Baustelle verabschieden müssten."

De Maizieres Gespräch mit dem ZDF war aufgezeichnet worden, bevor die Bundesanwaltschaft mitteilte, dass sie am Dienstag die Unterkunft eines möglichen Helfers von Amri in einem Berliner Flüchtlingsheim hatte durchsuchen lassen. Darüber hinaus wurde eine Wohnung in Berlin durchsucht, in der sich ein früherer Mitbewohner von Amri aufgehalten haben soll. Nach den bisherigen Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft hatte dieser "Zeuge" möglicherweise ebenfalls in zeitlicher Nähe zum Anschlag Kontakt zu Amri.

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