Das Bio-Paradies des Wüstenpioniers

Die Sekem-Farm basiert auf bio-dynamischer Landwirtschaft. Im Bild ein Schäfer mit Dutzenden Schafen
Ein Austro-Ägypter betreibt eine riesige Bio-Farm in der Nähe von Kairo und schafft damit 2000 Arbeitsplätze.

Eine Autostunde in nördlicher Richtung vom ägyptischen Großstadtmoloch Kairo entfernt beginnt das Paradies. Da sind plötzlich die im Wüstenwind flatternden Plastikfetzen verschwunden; keine verrottenden Müllreste mehr an den Straßenrändern, sondern riesige Oleandersträuche, die über hüfthohe Steinmauern hängen.

Schon die letzten zwei, drei Kilometer vor der Sekem-Farm eröffnet sich eine andere Welt. Tiefgrüne Felder. Alleen. Schatten spendende Bäume. Eine von Menschenhand geschaffene Oase mitten in der Wüste. Eine, die mittlerweile 2000 Menschen Arbeit verschafft und die es geschafft hat, mit ihren Produkten aus biologisch-dynamischer Landwirtschaft auf dem Weltmarkt Fuß zu fassen. Ein beeindruckendes Unterfangen - auch Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter besuchte Ibrahim Abouleishs Farm. Dieser ist glücklich mit seinem Werk: "Ich wollte ein Modell für nachhaltigen Entwicklung schaffen, für Ägypten, für die ganze Welt."

Keine giftigen Sprühmittel

Doch am Ziel ist der 79-jährige Austro-Ägypter deshalb noch lange nicht. Ständig wird auf dem mittlerweile mehrere Hundert Hektar großen Farmgelände Neues ausprobiert und angebaut, experimentiert und reformiert. In einer der Werkstätten des Geländes stehen Arbeiter und schweißen an einer Solarpanele. In einem anderen Trakt, gleich neben den brütend heißen Gewächshäusern, sitzt eine Gruppe junger Frauen und kreuzt verschiedene Setzlinge miteinander. So werden die Pflanzen widerstandsfähig, Schädlingsbekämpfungsmittel oder Kunstdünger hat die Sekem-Farm in den fast 40 Jahren ihrer Existenz nie gesehen. "Am Anfang war das nicht leicht, die Behörden hier zu überzeugen", erinnert sich Helmy Abouleish. Der in Österreich geborene Sohn des Farmgründers, mittlerweile Geschäftsführer der Sekem-Gruppe, sah seinen Vater unermüdliche Überzeugungsarbeit leisten: Dass nämlich nicht die ganze Gegend zu einer Brutstätte von Malaria-verbreitenden Insekten verkommen würde, wenn man keine hochgiftigen Sprühmittel einsetzt.

Das Bio-Paradies des Wüstenpioniers
Offizieller Arbeitsbesuch von HBM Andrä Rupprechter in Ägypten. Besuch der SEKEM Farm
"Sekem" , das bedeutet "Lebenskraft". Fast alles, was auf der Farm wächst, wird auch auf dem eigenen Gelände verarbeitet: Getreide und Öl, Früchte, Kräuter, Baumwolle, Milchprodukte, Fleisch. Drei Viertel ihrer Produkte, sagt Helmy Abouleish, seien für den heimischen Markt bestimmt. Mit dem restlichen Viertel aber haben sich Sekem-Bio-Produkte weltweit einen Namen gemacht.

Goethe lockte nach Europa

Die Liebe zu Goethe hatte den jungen Ägypter einst nach Europa geführt. Eine Vorlesung über den deutschen Dichter hatte den damals 20-Jährigen so berührt, dass er die Heimat Goethes kennenlernen wollte. Doch auf dem Weg dahin blieb er in Graz hängen, lernte die Frau seines Lebens kennen und studierte in Österreich. Ibrahim Abouleish war bereits ein erfolgreicher Manager eines Schweizer Pharmakonzerns, als ihn in den 70er-Jahren eine Reise wieder in seine alte Heimat führte. Und ihn zutiefst erschütterte: Armut überall, katastrophale Umweltverschmutzung, keine Gesundheitsversorgung und Bildung für die bäuerliche Bevölkerung.

Und er beschloss, zusammen mit seiner Grazer Ehefrau und seinen zwei kleinen Kindern, zu bleiben. Heute sagt sein Sohn Helmy: "Man muss den Mut haben, zu sagen: Auch als Einzelner kann ich die Welt ändern."

Entwicklung bremst Flüchtlingswelle

Es begann mit einer ersten Ernte von zwei Steigen Melonen und führte zu einem höchst erfolgreichen Unternehmen. Als Träger des Alternativen Nobelpreises 2003 wurde Abouleish ausgezeichnet für ein Geschäftsmodell, das wirtschaftlichen Erfolg mit sozialer und kultureller Entwicklung kombiniert. Schulen, Kindergarten, sogar eine Universität gibt es heute auf der Sekem-Farm. Und die Ambulanz des Geländes ist allen 30.000 Bewohnern des Umlandes zugänglich. Reich werden, das war nie das Ziel. Was er immer wollte: "Entwicklung", und dafür sagte er, müsse sich Europa heute in Ägypten und in ganz Afrika beteiligen. "Nur wenn Europa hilft, kann man die Flut von Flüchtlingen aufhalten."

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