Das alte Regime im Anmarsch

Ägypten wählt auf einen Präsidenten hin, Ex-Feldmarschall al-Sisi. Aber immer mehr Anhänger hegen Zweifel.

Kairo ist tapeziert dieser Tage. Mit Plakaten auf denen der ehemalige Verteidigungsminister Abdel Fatah al-Sisi zu sehen ist. Man kann kaum seinen Kopf wenden, ohne dass einem al-Sisi entgegenlächelt. Auf einem Plakat wird er sogar als Arzt, Rechtsanwalt, General und Ingenieur gleichzeitig dargestellt, ein politisches Wunderkind. Die Wahlplakate seines liberalen Konkurrenten Hamdeen Sabahi gehen dabei fast unter.

Die Mehrheit der Ägypter wird kommende Woche auf dem Stimmzettel wohl ihr Kreuz bei al-Sisi machen. Das gilt als beschlossene Sache, auch wenn der 59-Jährige nicht wirklich ein Wahlprogramm vorzuweisen hat. Dass er den starken Mann repräsentiert, der Ägypten jetzt endlich aus der Krise reißen wird, reicht vielen seiner Bewohner schon.

Überbleibsel

Alaa al-Aswany reicht das nicht. Der ägyptische Bestsellerautor und Zahnarzt sieht die Überbleibsel des alten Mubarak-Regimes wieder seine Plätze einnehmen. Die Ideale der Revolution des Jahres 2011 würden im Moment mit Füßen getreten. „Ich kann nicht diesen Angriff auf die Revolution unterstützen, ich kann nicht unterstützen, dass die jungen Revolutionäre in Gefängnisse gesteckt werden und dass dieses unverfassungsmäßige Gesetz zu Demonstrationen erlassen wurde.“ Die kommenden Wahlen sieht er als undemokratisch. Das Wahlrecht enthält laut dem 56-Jährigen vier Verletzungen des Verfassungsrechtes. „Ich finde, dass diese Wahlen keine demokratischen Kriterien haben. Demokratische Wahlen haben nicht nur damit zu tun, dass es eine Urne gibt. Es geht um die Kriterien.“

Alaa al-Aswany ist weltweit einer der bekanntesten arabischen Schriftsteller. Sein Roman „Der Jakubijan-Bau“ wurde in 31 Sprachen übersetzt, gewann zahlreiche Preise und wurde als bisher teuerste ägyptische Produktion auch verfilmt. Im „Jakubijan-Bau“ porträtierte er die moderne ägyptische Gesellschaft indem er zahlreiche Tabus wie Homosexualität, Korruption, Polizeigewalt und Terrorismus behandelte. Einige Intellektuelle behaupten sein Buch hat auch zum Entfachen des revolutionären Funkens bei den Ägyptern beigetragen. Und dieser Revolution ist auch Alaa al-Aswany nach wie vor treu.

"Die Revolution lebt"

Deswegen sieht er es als seine Pflicht an den sozialistischen Gegenkandidaten Hamdeen Sabahi zu unterstützen. Dass der kaum Chancen hat zu gewinnen, spielt für al-Aswany keine Rolle. „Es geht nicht darum, dass wir ihn unterstützen weil er gewinnen wird, sondern wir müssen den Leuten, die jetzt an der Macht sind, eine Nachricht übermitteln. Sie denken, sie haben die Revolution beendet. Aber wir müssen ihnen klar machen, dass die Revolution immer noch lebt, dass die Revolution weiter geht und dass die Revolution alles überwinden wird.“

Vergangenen Sommer hat das noch anders geklungen. Al-Aswany, die liberale Stimme Ägyptens, verteidigte die blutige Verfolgung der islamistischen Muslimbrüder durch Armee und Polizei. Das Töten kritisierte er nur am Rande.

Das alte Regime im Anmarsch
A man carries a poster of presidential candidate and former army chief Abdel Fattah al-Sisi, with the slogan "Against you", during a protest on the 6th October bridge near Tahrir square in Cairo May 22, 2014. Just over half Egyptians approve of al-Sisi, an opinion poll showed on Thursday, just days ahead of a presidential election he is expected to win easily. The poll, released on Thursday by the Washington-based Pew Research Center, also found that 43 percent opposed the army's overthrow of elected President Mohamed Mursi last July, a move for which the military claimed national backing. REUTERS/Mohamed Abd El Ghany (EGYPT - Tags: POLITICS ELECTIONS CIVIL UNREST)
Der damalige Präsident Mohammed Mursi, der aus der Muslimbruderschaft hervorging, wurde im Juli 2013 durch die Armee gestürzt. Seine Anhängerschaft, die sich in riesigen Protestlagern an zwei Straßenkreuzungen in Kairo verschanzte, wurde zwei Monate danach gnadenlos niedergemetzelt. Und Alaa al-Aswany meinte in einem Interview mit dem englischen Guardian im Oktober 2013, dass das absolut gerechtfertigt sei, da sich Ägypten im Krieg mit einer faschistischen, terroristischen Gruppierung befinde, die in ihren Protestlagern foltere und töte.

Bis heute ist nicht erwiesen, ob das wirklich passiert ist. Aber diese Haltung war damals in allen Gesellschaftsschichten Ägyptens weit verbreitet. Warum sich der Autor jetzt wieder gegen die Armee und ihren Kandidaten Abdel Fatah al-Sisi stellt erklärt er so: „Ich habe meine Haltung nicht geändert. Ich denke dass das Eingreifen der Armee damals das Land wirklich vor einem Bürgerkrieg bewahrt hat. Die Leute in den Protestcamps waren bereit, im Namen der Religion zu töten. Zur selben Zeit waren Millionen auf der Straße, die die Regierung der Muslimbrüder beenden wollten. Die Intervention der Armee war notwendig zu dieser Zeit um einen Bürgerkrieg zu verhindern.“ Die Angst vor der Muslimbruderschaft hat der Armee freie Hand verliehen, die sie bis jetzt für politische Zwecke nutzte.

Wie al-Aswany sind auch andere Ägypter nicht damit einverstanden. Reem Elsohagy, eine 29-Jährige Englischlehrerin, war auch froh, dass die Armee die Muslimbruderschaft beiseite geräumt hat. Das Blutvergießen damals kritisiert sie aber stark. Wasserwerfer und Tränengas hätten ihrer Meinung nach auch gereicht. Feldmarschall Abdel Fatah al-Sisi als Kandidaten aufzustellen hält sie ebenfalls für einen Fehler. „Das ist nicht seine Aufgabe. Er hat keine Ahnung von Politik. Er hat einen anderen Job, den er auch viel besser macht.“

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