Streit über Coronabonds: 16 Stunden verhandelt, keine Einigung

Finanzminister Gernot Blümel, Sektionschef Harald Waiglein (l.)
Euro-Finanzminister können sich nicht auf Hilfe für Italien und Spanien einigen. Am Donnerstag wird weiter beraten.

Es war ein Verhandlungsmarathon, der die ganze Nacht lang dauerte. Und nach 16 Stunden ungeliebter Videokonferenz, am Mittwochmorgen um 8 Uhr, dennoch ohne Ergebnis endete.

Im Streit über ein Hunderte Milliarden Euro schweres Corona-Rettungspaket konnten die EU-Finanzminister somit kein Ergebnis vorlegen, sondern mussten sich auf Donnerstag vertagen. Dies teilte Eurogruppen-Chef Mario Centeno am Mittwoch auf Twitter mit.

"Nach 16 Stunden Diskussion sind wir einem Deal sehr nahe gekommen, aber wir sind noch nicht dort", so der Portugiese. Die Beratungen seien ausgesetzt worden.

Es geht um eine Antwort der EU-Staaten auf die schwere Wirtschaftskrise als Folge der Covid-19-Pandemie. Die Mitgliedsstaaten haben bereits Programme von insgesamt mehreren Billionen Euro aufgelegt. Auf EU-Ebene wurden die Budget-Regeln gelockert und Milliarden aus dem EU-Haushalt mobilisiert. Und nicht zuletzt hat die Europäische Zentralbank ein riesiges Anleihekaufprogramm gestartet.

Allerdings sind die nationalen Anti-Corona-Pakete sehr unterschiedlich groß ausgefallen. Ausgerechnet die finanzschwachen Länder Spanien und Italien sind am stärksten von der Gesundheitskrise betroffen. Deshalb soll eine europaweite Lastenverteilung gefunden werden.

Probleme bereitete am Dienstagabend insbesondere die Forderung Italiens, gemeinsame Corona-Bonds in die Abschlusserklärung aufzunehmen. Hinzu kam die Frage, welche Bedingungen an Finanzhilfen des Euro-Rettungsfonds ESM geknüpft werden sollen.

Ob es im Laufe der Nacht hier Fortschritte gab, blieb zunächst unklar. Vor allem zwischen Italien und den Niederlanden soll es wegen Auflagen für Hilfskredite aus dem ESM einen handfesten Streit geben, wie Mittwoch früh aus Verhandlungskreisen verlautete.

Umstrittene Eurobonds

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hatte im Vorfeld der Sitzung versucht, Österreich aus dem Eck der Neinsager-Länder zu bringen. Zwar bekräftigte er sein Nein zu Eurobonds, signalisierte aber darüber hinaus Flexibilität.

"Wir wollen nicht, dass Österreich für die Schulden anderer Länder haftet", sagte er am Mittwoch. Gleichzeitig wolle man den von der Corona-Krise am stärksten betroffenen Ländern "solidarisch und europäisch helfen". Es werde solange weiterverhandelt, bis es hier eine Lösung gibt.

Begriffsverwirrung Corona-, Eurobonds

Gemeint ist mit Euro- oder Coronabonds, dass die EU- oder Euroländer ihre gemeinsame Wirtschaftskraft nutzen würden, um günstigere Kredite auf dem Kapitalmarkt aufzunehmen. Für die meisten Länder wären die Zinsen geringer, als wenn sie im Alleingang Schulden machen.

Die finanziell gut aufgestellten Länder, die ohnehin günstige Konditionen erhalten (insbesondere Deutschland, Österreich, Niederlande), befürchtet jedoch, für Altlasten anderer, hoch verschuldeter Staaten in die Haftung genommen zu werden. Anders als Eurobonds, die ins allgemeine Budget der Staaten fließen würden, sollten Coronabonds allerdings klar definierten Zwecken zur Bekämpfung der Krise und ihrer Folgen dienen.

Solche Gemeinschaftsanleihen mit solidarischer Haftung gab es in Krisensituationen seit 1976 übrigens immer wieder. Damals ging es - noch in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) - darum, den wirtschaftlichen Schock der Ölkrise, ebenfalls für Italien, abzufedern.

Marode italienische Banken

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) relativierte indes die Unterstützung seiner Partei für Eurobonds. „Ich bin eben für Bonds unter gemeinsamen Regeln“, erklärte er in der Tiroler Tageszeitung. Voraussetzung sei eine Reform des „maroden“ italienischen Bankensystems, in dem „ein Riesenvermögen von Superreichen geparkt“ sei.

Die Vergemeinschaftung von Schulden im Rahmen von Euro- oder Corona-Bonds könne sinnvoll sein, damit Länder wie Italien, die sehr stark betroffen sind, sich zu erträglichen Zinsen finanzieren können, sagte der Vizekanzler der deutschen Zeitung Die Welt.

Streit über Coronabonds: 16 Stunden verhandelt, keine Einigung

Drei-Säulen-Modell

Deutschland und Frankreich hatten sich in der Vorwoche auf ein aus drei Instrumenten bestehendes Hilfspaket verständigt. Demnach soll es Geld aus dem Eurorettungsschirm ESM und von der Europäischen Investitionsbank EIB geben, ergänzt um Kurzarbeiter-Hilfen. Der Streit um die "Coronabonds" getauften europäischen Gemeinschaftsanleihen sollte damit neutralisiert werden.

Centeno warb im Vorfeld der Videokonferenz für den Vorschlag. Auf dem Tisch liege “das umfangreichste und ehrgeizigste Paket, das jemals von der Eurogruppe vorbereitet wurde„, sagte er. “Wir alle wissen, dass dies nicht die Zeit für Business-as-usual-Politik ist. Wir müssen unseren Bürgern zeigen, dass Europa sie schützt."

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