Aus der Dominikanischen Republik
Die Familie des 43-Jährigen kommt aus der Dominikanischen Republik, hat aber spanische Wurzeln. Richard kam mit zwölf Jahren nach Spanien und schloss ein Psychologiestudium ab. "Aber hier hat die Pharmazie über die Psychologie gesiegt", sagt Richard: "Eine Pille ist billiger als eine lange Therapie."
Er fand keinen Job und begann deshalb Bedarfsjobs anzunehmen. Mal in der Gastronomie, in der Eventpromotion und zuletzt bei Amazon als Lieferant.
Sein Leben in Madrid ist ein konstantes Auf und Ab. "In manchen Monaten habe ich 3.000 Euro und manchmal eben nur 10", sagt er. Es ist deshalb auch nicht das erste Mal, dass er auf der Straße landet. Und doch ist dieses Mal alles anders und seine Situation ist noch einen Tick unsicherer.
Als sich der wirtschaftliche Einbruch wegen der Coronavirus-Pandemie abzuzeichnen begann, hat Amazon seinen Vertrag nicht verlängert. Und weil der Mietvertrag vom Arbeitsvertrag abhängt, den Richard plötzlich nicht mehr vorweisen konnte, hat ihn der Vermieter rausgeschmissen.
Dann aus der Wohnung geschmissen
Unter den aktuellen Umständen ist es Richard kaum möglich, eine neue Wohnung zu finden. Trotzdem hat er Hoffnung, hört sich nach Jobs um und hat mithilfe der Polizisten im Stadtzentrum auch schon eine Lösung gefunden: Er will sich selbstständig melden und dann für einen Lieferservice einen Teil des Kundenstamms beliefern. Dafür braucht er einen Meldezettel, aber das Rathaus ist geschlossen. Er kann einen Zugang für die Onlineservices der Verwaltung beantragen, aber dafür braucht er eine Adresse.
Anfangs hat er als ehrenamtlicher Helfer im angrenzenden Viertel Malasaña geholfen. Ein Restaurantbesitzer hatte aus den Spenden von Supermärkten, Cafés und Anwohnern warme Mahlzeiten für die Armen und nun immer Ärmeren zubereitet. "Als wir damit angefangen haben, waren es 15 Menüs, nach einem Monat kamen wir auf Hunderte", sagt Richard. Doch dann musste der Wirt aus Angst vor Strafen wieder schließen.
Richard schätzt, dass bis zu 300 Leute im nun ausgestorbenen Stadtzentrum auf der Straße schlafen.
Die Obdachlosen sind eine gemischte Gruppe von Menschen mit sehr unterschiedlichen Geschichten. Es gibt die Drogenabhängigen, die Alkoholiker, die Leute mit psychischen Problemen, jene mit juristischen Problemen und die mit politischen Problemen, zu denen sich Richard selbst zählt.
"Man sieht alle Obdachlosen, aber man nimmt nur die Alkoholiker wahr", sagt Richard. "Plötzlich ist da nur noch ein Problem, das man loswerden muss."
Ein Trauma
Er sagt, auf der Straße zu landen ist nach natürlichen Katastrophen das zweitschlimmste Trauma, das einem Menschen widerfahren kann. Er sagt, er habe noch Kraft, auch durch seinen Glauben, das Mormonentum, das ihn von Alkohol und Drogen fernhält. "Aber ich weiß nicht, wie lange ich das durchhalte.“
Mitte Mai sollen die Hotels wieder öffnen können. Ob sich Richard das Zimmer dann noch leisten will, ist unklar. Sicher ist nur, dass er seinen Schlafplatz dann verlassen muss. Obdachlose sind eben nicht gern gesehen.
Von Maren Häußermann
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