Corbyn: Johnsons Brexit-Pläne sind "Thatcherismus auf Drogen"
Labour-Chef Jeremy Corbyn hat dem britischen Premierminister Boris Johnson vorgeworfen, den EU-Austritt für wirtschaftliche Deregulierung und niedrigere Schutzstandards vor allem im Gesundheitsbereich zu missbrauchen. Die Konservativen werden "einen Thatcherismus auf Drogen entfesseln", so Corbyn laut Redetext in einem Wahlkampfrede, die er am Dienstag in Harlow halten wollte.
Damit bezeichnet Corbyn mit Blick auf die umstrittene Regierungszeit Margaret Thatchers eine rigide Steuersenkungs- und Sparpolitik. Beim "Thatcherismus" steht die Marktwirtschaft mit so wenig staatlicher Einmischung wie möglich im Mittelpunkt - ein schlanker Staat, ein Wohlfahrtsstaat, reduziert auf ein reines Sicherheitsnetz. Bei vielen Briten ist der Thatcherismus heute negativ konnotiert. Nach 13 Jahren in der Opposition schafften die Konservativen im Jahr 2010 die Rückkehr an die Macht auch deswegen, weil sich ihr damaliger Chef David Cameron vom Kurs Thatchers distanziert hatte.
Corbyn will in seiner Rede auch den Vorwurf bekräftigen, dass Johnsons Regierung den National Health Service (NHS) in jedes Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten nach dem Brexit einbeziehen würde. Johnson hatte wiederholt betont, dass der NHS, den die Wähler als zweitwichtigstes Thema nach dem Brexit bezeichnen, bei keinem Handelsgespräch auf dem Tisch liegen würde
Trump widersprach
Vergangene Woche wies US-Präsident Donald Trump Labours Behauptungen zurück, dass das NHS zur Disposition stünde und sagte: "Es liegt nicht bei uns, etwas mit ihrem Gesundheitssystem zu tun zu haben."
Die Frage des Gesundheitssystems gilt als einziges Thema, das im Wahlkampf den Brexit in den Hintergrund schieben könnte. Das NHS gilt seit Jahrzehnten als chronisch unterfinanziert und ineffizient, viele Briten klagen über lange Wartezeiten für Routineoperationen und unzumutbare Zustände in Spitälern wie etwa Gangbetten. In der kalten Jahreszeit kommt das NHS meist zusätzlich unter Druck, etwa durch eine Grippewelle. Medienberichten zufolge bemüht sich die konservative Regierung daher darum, mittels kurzfristigen Zuwendungen die Gefahr einer Krise im Vorfeld der ersten Winterwahl seit fast einem Jahrhundert zu bannen.
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