Corbyn gegen Johnson: "Wie kann die Nation Ihnen noch trauen?"

Corbyn gegen Johnson: "Wie kann die Nation Ihnen noch trauen?"
Beide sprachen sich für ein Ende der Sparpolitik aus und für mehr öffentliche Investitionen, vor allem im Gesundheitsbereich.

Zwei Männer, zwei Welten, zwei völlig unterschiedliche Vorbereitungen auf das erste und möglicherweise vorentscheidende TV-Duell im britischen Wahlkampf. Während sich der oppositionelle Labour-Chef Jeromy Corbyn am Dienstag beim Barbier Bart- und Haupthaare trimmen ließ, machte der Konservative Premier Boris Johnson, 55, das, was er am liebsten tut – zuschlagen: Bei seinem Besuch in der Industriestadt Manchester stieg er in den Boxring zu einer Sparringrunde, um sich fit zu machen für den späteren (verbalen) Schlagabtausch.

Und der Regierungschef kam schnell zur Sache. Gleich in seinem Einleitungsstatement und dann mehrmals knallte er sein Zentralthema auf den Tisch: Die Tories hätten einen Brexit-Deal, der schnell umzusetzen sei, wenn er die Wahl (am 12. Dezember) gewänne. „Get Brexit done“ (Lasst uns den EU-Austritt durchziehen), meinte er Gebetsmühlen-artig – der Spruch stand auch auf den Boxhandschuhen, die er am Vormittag trug.

Corbyn kurz angezählt

Corbyn sprach genau das seinem Kontrahenten ab, betonte, binnen drei Monaten einen neuen Pakt mit der EU aushandeln zu wollen, über den die Briten dann abermals binnen sechs Monaten abstimmen könnten. Zugleich markierte auch der 70-jährige Labour-Frontmann seine primäre Stoßrichtung: Sozialer „Wandel und Hoffnung“ für mehr Fairness im Land. Dass er dann nicht klar sagen konnte, ob er nun für oder gegen den Brexit sei, war ein starker Punkt für den Premier.

Beide Politiker legten sich in der Live-Debatte vor rund 200 Männern und Frauen im Studio ordentlich ins Zeug. Denn für Johnson geht es darum, nicht ein ähnliches Debakel wie seine Vorgängerin Theresa May zu erleiden, die 2017 bei von ihr provozierten Neuwahlen die absolute Mehrheit im Parlament verlor. Und Corbyn kommt in Umfragen nur auf schwache 27 Prozent Zustimmung, während sein hemdsärmeliger Rivale um die 40 Prozent pendelt. Zuletzt aber verringerte sich der Abstand.

Viele Briten haben jedenfalls das Polit-Gezerre satt, was eine rhetorische Frage aus dem Publikum an beide widerspiegelte, die langen Applaus erhielt: „Wie kann die Nation Ihnen noch trauen?!“, meinte der Mann und warf beiden „Lügen“ und eine Vergiftung des politischen Klimas vor. Überraschend folgten dann Johnson und Corbyn der Aufforderung der Moderatorin, den Ton zu mäßigen und das mit einem Handshake zu besiegeln.

Zum Schluss sprachen sich beide für ein Ende der Sparpolitik in Großbritannien aus und für mehr öffentliche Investitionen, vor allem im Gesundheitsbereich. Der Tory-Chef versprach zudem Steuersenkungen, der Labour-Vorsitzende eine Vier-Tage-Woche, was ihm Lacher aus dem Publikum eintrug.

Kommentare