Herausforderer Alberto Fernandez blickt zufrieden in die Runde. Der linksgerichtete Kandidat, der kommenden Sonntag als Favorit in die Präsidentschaftswahlen in Argentinien geht, hat fast die gesamte argentinische Zivilgesellschaft zusammengebracht. Es geht um Armutsbekämpfung. Fernandez verspricht, was seine Zuhörer hören wollen. Er will einen „BundesratArgentinien gegen den Hunger“ gründen. Ziel dieser Institution sei die Bekämpfung der Armut. „Unsere größte Schande ist der Hunger. Wenn ich gewählt werde, werde ich mich an die Spitze der Kampagne gegen den Hunger setzen.“
Auch ein prominenter Armenpriester und der Chef der Caritas sind gekommen. Das sollte für kritische Nachfragen sorgen. Caritas-Präsident Carlos Tissera, Bischof von Quilmes, beeilte sich, zu betonen: „Die Kirche ist unparteiisch.“
Fernandez’ Coup brachte den konservativen Amtsinhaber Mauricio Macri wenige Tage vor den Wahlen dennoch in die Defensive. Macri ist seit den parteiinternen Vorwahlen vor ein paar Wochen, die als wichtiger Stimmungstest galten, weil alle Argentinier dabei verpflichtend teilnehmen müssen, praktisch ein Präsident auf Abruf. Zu desaströs war das Ergebnis, zu groß der Vorsprung von Fernandez, dem Umfragen einen Sieg im ersten Durchgang der Präsidentenwahl prognostizieren.
Macris Kernproblem: Er hatte bei seinem Wahlsieg Ende 2015 versprochen, die Armut deutlich zu reduzieren. Der ehemalige Klub-Präsident von Boca Juniors, Bürgermeister von Buenos Aires und Unternehmer, versuchte es mit einem harten Sparprogramm. Er entließ tausende Verwaltungsangestellte, verlangte von seinen Landsleuten in Absprache mit der im Land äußert unpopulären Weltbank harte Einschnitte. Doch der erhoffte und versprochene Aufschwung blieb aus. Die Armut stieg sogar noch an.
Das belegen Zahlen der Päpstlichen Universität in Buenos Aires: So stieg der Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 17 Jahren, die von den Auswirkungen der Armut betroffen sind, von 37 auf 41 Prozent. Damit seien rund 7,5 Millionen Kinder und Jugendliche von Armut betroffen. Das entspricht einem Anteil von gut 63 Prozent der Kinder und Jugendlichen im urbanen Raum und knapp 75 Prozent im ländlichen Raum.
Auch Papst mischt mit
Macris Verhältnis zur katholischen Kirche gilt als angespannt. Das liegt vor allem daran, dass ihn Papst Franziskus praktisch ignoriert. Seit seiner Wahl 2013 hat das erste Kirchenoberhaupt aus Lateinamerika sein Heimatland Argentinien nicht besucht. Offiziell sind es Termingründe, doch viele Argentinier sehen das auch als politisches Statement gegen Macris Politik. Zweimal kam es in der ersten Hälfte von Macris Amtszeit zu einem Treffen mit dem Papst im Vatikan. Dabei präsentierte sich Franziskus so griesgrämig, dass Macri auf weitere Besuche verzichtete.
Deutlich besser versteht sich der Papst mit Macris Vorgängerin Cristina Kirchner. Die Ex-Präsidentin tritt als Vize-Präsidentschaftskandidatin von Fernandez an. Zwar wird gegen die während ihrer Amtszeit zur Multimillionärin aufgestiegene Kirchner wegen Korruption ermittelt, doch „Cristina“, wie sie die Linkspolitikerin hier alle rufen, ist wegen ihrer Sozialprogramme im Land immer noch ungeheuer populär.
Während ihrer Amtszeit bis 2015 reiste die damalige Präsidentin dem Papst sogar zu Auslandsterminen hinterher. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass sie das bald gemeinsam mit ihrem ehemaligen Kabinettschef Alberto Fernandez als Vize-Präsidentin erneut tun kann.
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