Surfen nur noch mit Gesichtsscan: China führt Digitalausweis für Internetnutzer ein

Auf den ersten Blick wirkt es so ungemein praktisch: Wer sich auf einer chinesischen App registrieren möchte, muss nur seinen Namen und seine Telefonnummer angeben - genau wie bei WhatsApp. Mehr persönliche Angaben sind nicht nötig; nur die Kreditkarte, wenn man etwa die beim chinesischen Messengerdienst WeChat integrierte Zahlungsfunktion nutzen möchte.

Die Einfachheit hat ihren Grund, doch die Kritik daran war zuletzt groß. Immer mehr Chinesen beschweren sich in sozialen Medien über regelmäßige Anrufe von Werbeagenturen oder Betrügern. Es gibt etliche Berichte darüber, dass chinesische Tech-Plattformen wie WeChat, AliPay, Weibo und Co. Daten ihrer Nutzer an Dritte weiterverkaufen, gemeinsam mit der Telefonnummer.
Gesichtsscan mit Polizei-App
Damit soll künftig Schluss sein. Seit Dienstag können Chinesen über eine App der Polizei einen neuen, digitalen Ausweis beantragen, mit dem sie sich anschließend bei allen gängigen Apps und Webseiten registrieren können. Ihre persönlichen Daten werden dabei für die dahinterstehenden Tech-Firmen verschlüsselt.
Chinas Regierung verkauft das als großen Erfolg für den Datenschutz. In Wahrheit entreißt der Staat jedoch Privatkonzernen die Kontrolle über die Nutzerdaten der Bevölkerung - und sichert sie für sich selbst. Chinas Überwachungsapparat bietet das ungeahnte Möglichkeiten.
Um den neuen Digitalausweis zu erhalten, müssen Chinesen über die Polizei-App nicht nur Ausweisdokumente hochladen, sondern auch ihr Gesicht mit der Handykamera scannen. Noch ist der Digitalausweis ein freiwilliges Angebot der Regierung. Es ist jedoch naheliegend, dass er schon bald für das Volk verpflichtend wird.
Nutzerdaten werden wohl für KI-Training genutzt
Ebenso naheliegend ist, dass die somit gesammelten Daten in Zukunft in die staatliche Gesichtserkennungssoftware eingespeist werden, die schon jetzt von Millionen von Überwachungskameras im Land genutzt wird. Der Digitalausweis dürfte der Polizei auch ermöglichen, auf einen Schlag eine Liste aller von einer Person genutzten Online-Profile aufzurufen.

Eine "Kamera-Palme" in Shanghai: In ganz China finden sich Millionen von hochmodernen Überwachungskameras mit Gesichtserkennungssoftware.
Zudem gibt es Pläne, die gesammelten Daten wirtschaftlich zu nutzen. Wie unter anderem der britische Economist berichtet, arbeitet Chinas Regierung an einer staatlich geführten, nationalen Datenbörse. Also einer zentral verwalteten Datenbank, in der die persönlichen Daten aller chinesischen Internetnutzer gesammelt werden sollen.
Privatkonzerne sollen künftig bestimmte Nutzerdaten ankaufen können, um damit Produkte zu entwickeln - zum Beispiel könnten Stromanbieter Informationen zur Stromnutzung ankaufen. Mithilfe dieser Datenbörse erhofft sich die Regierung, einen großen Schritt im Wettlauf mit den USA bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) zu machen.
Zwar können chinesische Firmen auf offiziellem Weg keine der modernsten Mikrochips aus den USA, Taiwan und Südkorea kaufen. Hätten chinesische KI-Modelle aber künftig Zugang zu dem gewaltigen Datenschatz, den die Regierung gerade anlegt, könnte das diesen Wettbewerbsnachteil im Vergleich zur westlichen Konkurrenz ausgleichen.
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