Export-Flut und Dumping-Preise aus China: Wie Europa gegensteuern kann
Und plötzlich sind es die Milchprodukte. Mehr als 40 Prozent Zoll werden von nun an auf Käse und Joghurt aus Europa draufgeschlagen, meldete Chinas staatliche Nachrichtenagentur vor wenigen Tagen. Schweinefleisch wiederum kommt plötzlich wieder billiger davon und die Autoindustrie bekommt endlich wieder Seltene Erden zugeteilt, noch bevor die Fließbänder stillstehen.
Importzölle, Exportsperren, überfallsartig verhängte Strafmaßnahmen: Es ruckelt ständig bei den Handelsbeziehungen zwischen China und der EU. „Die Stimmung ist anders als noch vor einem Jahr“, fasst der gerade erst aus China zurückgekehrte Markus Beyrer seine Eindrücke zusammen: „China geht wieder auf Distanz zu Europa, setzt auf Kontakte zu einzelnen Mitgliedsländern.“
Der Österreicher ist einer der einflussreichsten Vertreter der Industrie in Brüssel und in dieser Rolle regelmäßig zu Besuch bei den Spitzenvertretern der chinesischen Wirtschaft. Der „rote Teppich“ werde den Europäern derzeit nicht ausgerollt. Die Strategie, „gemeinsam mit den Europäern gegen die USA“ habe man in Peking wieder verworfen.„
Viele der aggressiven Maßnahmen, vor allem beim Export von Rohstoffen, treffen Europas Industrie empfindlich, da nützt es wenig, dass die Chinesen betonen, “dass das nicht gegen Europa, sondern gegen die USA„ gerichtet sei.“
Schwäche bei aller Stärke
Die chinesische Dominanz auf den Märkten beschreibt Beyrer als erdrückend. Mehr Ausbildung, mehr Forschung, mehr Technologie, mehr Produktionsvolumen: Das Land sei überall auf dem Vormarsch - und habe „bei all diesen Stärken trotzdem ein grundlegendes Problem, “sie sind von ihren Exportmärkten abhängig.„
Knapp ein Drittel von Chinas Güterproduktion wird von seinen eigenen Bürgern konsumiert, das ist deutlich niedriger als in Europa oder in den USA. Lange hatte Chinas Führung darauf gesetzt, dass sich dieses Missverhältnis mit dem wachsenden Wohlstand von selbst ausgleichen werde. Ein Irrtum, “das sehen die Chinesen inzwischen selbst. Sie wissen, dass sie etwas für den Konsum im eigenen Land tun müssen.„
Doch Gegenmaßnahmen würden erst langfristig wirken, vorerst aber herrsche auf dem chinesischen Markt “beinharte interne Konkurrenz„. Die Unternehmen würden mit allen Mitteln vor allem um Marktanteile kämpfen, auch mit rücksichtslosem Preisdumping.
Damit aber sei der europäische Markt vergleichsweise lukrativ - was die Chinesen noch stärker hierher drängen ließe, mit ähnlich hartem Preisdumping wie zu Hause. Für die europäische Industrie eine unhaltbare Situation: “Wenn nicht starke Korrekturen von Seiten Chinas kommen, wird Europa Gegenmaßnahmen brauchen.„
Wie die aussehen könnten, das wird in Brüssel seit Monaten diskutiert. EU-Staaten wie etwa Frankreich drängen auf Vorrang für Industriegüter “Made in Europe„. Ob Stahl oder Medikamente, es dürfe nicht mehr allein der Preis zählen. Beyrer genießt solche Pläne mit Vorsicht: “Es wird Einzelfälle geben, wo wir europäische Produkte unterstützen müssen. Mit breit angelegtem Protektionismus gegen China aufzutreten. Das kann langfristig mehr schaden als nützen.„
Man müsse offen bleiben, auch gegenüber chinesischen Investments in Europa. Doch die EU müsse da geschlossen auftreten, nicht gegeneinander und um jeden Preis um chinesische Fabriken buhlen. Länder wie Ungarn oder Spanien hätten schlechte Erfahrungen gemacht: Maschinen aus China. Arbeiter aus China und Geheimniskrämerei bei allen Technologien? Das seien nicht die Spielregeln, die in Europa gelten. Beyrer: “Diese Unternehmen müssen Mehrwert in Europa schaffen. Das muss man den Chinesen klar machen.„
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