Chinas Ex-Premier Li Keqiang, Xi Jinpings größter Rivale, ist tot
Li Keqiang, Chinas ehemaliger Premierminister und größter Rivale des Machthabers Xi Jinping, ist tot. Er starb im Alter von 68 Jahren in Shanghai an einem “plötzlichen Herzinfarkt”, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua in der Nacht auf Freitag mitteilte.
In Chinas Polit-Elite, wo höchste Ämter erst ab 60 Jahren vergeben werden, ist 68 eigentlich kein Alter. Informationen zu seinem Gesundheitszustand liegen nicht vor, wie üblich bei chinesischen Offiziellen. Sein Tod kommt der Parteiführung aber in jedem Fall gelegen.
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Li galt bis zu seinem Tod als Kopf des technokratischen Flügels innerhalb der Kommunistischen Partei, der wirtschaftlichen Erfolg stets über Ideologie stellte. Diese Rolle hatte er von Chinas Ex-Präsident Hu Jintao übernommen, der Li als seinen Nachfolger aufgebaut hatte.
Stetiger Konflikt mit Xi
Doch zum Abschluss des kommunistischen Parteitags 2012 schritt Li erst als Zweiter aus der Großen Halle des Volkes in Peking, hinter einem gewissen Xi Jinping. Die erste von einer Reihe politischer Niederlagen, die Li am Höhepunkt seiner Karriere gegen den späteren Präsidenten erleiden sollte.
Als Premierminister versuchte Li fortan alles, um so etwas wie ein Gleichgewicht der Macht in China aufrechtzuerhalten – so sagen es zumindest seine Anhänger. Der Ökonom trat gezielt als zweite Spitze neben Xi auf, flog mit dem Präsidentenflugzeug ins Ausland und widersprach dem Staatsoberhaupt sogar immer wieder bei öffentlichen Auftritten.
Als Xi 2020 stolz verkündete, China habe den “Sieg über die Armut errungen”, meinte Li wenig später in einer Rede, rund 600 Millionen Menschen würden weiterhin mit weniger als 200 Euro im Monat auskommen müssen - und mahnte weitere marktwirtschaftliche Reformen an.
Trotz alledem war Li ein strammer Parteisoldat, der die wirklich ernsten Auseinandersetzungen nur hinter den Kulissen suchte, um die Partei nicht öffentlich zu beschädigen. Der Höhepunkt des Machtkampfs soll sich vor rund einem Jahr ereignet haben.
Xis Verschwinden
Im Herbst 2022 erlebte China nur wenige Wochen vor dem kommunistischen Parteitag, bei dem ein neuer Präsident gewählt werden sollte, den Höhepunkt der Null-Covid-Krise. Präsident Xi verließ damals zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie das Land, um beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) unter anderem auf Wladimir Putin zu treffen. Nach seiner Rückkehr war Xi plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwunden, Gerüchte über einen Putsch machten die Runde.
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Die meisten Experten gehen heute davon aus, dass Li Keqiang und sein liberaler Parteiflügel die Chance ergriffen und Xi zu einer sofortigen Regierungsklausur aufforderten. Zu chaotisch soll aus ihrer Sicht die wirtschaftliche Situation gewesen sein; zu groß die Gefahr, dass Xis öffentliche Nähe zu Putin nach dessen Invasion in der Ukraine die Handelsbeziehungen mit westlichen Staaten beeinflussen könnte.
Die beiden Widersacher trennt vieles, sie hätten nicht unterschiedlicher aufwachsen können: Xi kam als sogenannter “Prinzling” zur Welt, sein Vater war ein enger Vertrauter von Staatsgründer Mao Zedong. Während der Kulturrevolution wurde er, wie viele elitäre Jugendliche, auf das Land verbannt, um von den Bauern zu lernen, was Arbeit bedeutet.
Li dagegen stammt aus deutlich ärmeren Verhältnissen, sein Vater war einfacher Beamter. Seinen Erfolg erarbeitete er sich im Jugendverband der kommunistischen Partei, später wurde er Studentenführer.
Li, dessen Abgang nach zwei Amtszeiten als Premier feststand, soll für den nahenden Parteitag wichtige Positionen für seine Vertrauten eingefordert haben. Erst nach zwei Wochen tauchte Xi wieder öffentlich auf.
Machtdemonstration
Der Parteitag entwickelte sich demnach zum innenpolitischen Showdown mit bekanntem Ausgang: Vor den Augen der Weltöffentlichkeit ließ Xi Jinping seinen gealterten Vorgänger Hu Jintao, Li Keqiangs größten Förderer, aus der Großen Halle des Volkes eskortieren. Ein Signal, dass der Präsident den Machtkampf - wieder - gewonnen hatte.
Xi ließ sich als erster Präsident seit Mao in eine dritte Amtszeit wählen und besetzte die sechs höchsten Positionen in der Partei mit Vertrauten. Li Keqiangs Nachfolger als Premier wurde der fast namensgleiche Li Qiang, ein treuer Untergebener Xis. Von einem Gleichgewicht der Macht innerhalb der Partei kann damit keine Rede mehr sein.
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Um die Entmachtung zu vollenden, ließ Xi noch Li Keqiangs Abschiedsrede in den sozialen Medien zensieren. Heute, am Tag seines Todes, wird sie im Westen ebenso verbreitet wie eines seiner Zitate vom Herbst 2022: “Der Himmel schaut zu, wie wir Menschen arbeiten. Der Himmel hat Augen.”
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