Kirk-Begräbnis: Trumps populistische Bewegung fusioniert mit Evangelikalen

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Selten zuvor verschwammen die Grenzen zwischen religiöser und politischer Veranstaltung in den USA so sehr wie bei der Trauerfeier für den ermordeten Charlie Kirk. Trump nutzt den Eifer dessen Anhänger für sich.

Die Musik gab im Herzen des State Farm Stadions schon früh den Ton vor. Gospel-Sänger heizten der Menge mit evangelikalen Kirchenliedern ein – und wenn sie einmal stoppten, sangen Zehntausende einfach weiter. Fernsehbilder fingen etliche beseelte Gesichter ein, zu Tränen gerührt, die Hände zum Stadiondach gereckt.

Die monumentale Trauerfeier für den ermordeten, erzkonservativen Aktivisten Charlie Kirk in Phoenix/Arizona war enorm religiös aufgeladen. Nie zuvor hatte eine US-Regierung die Grenzen zwischen politischer Veranstaltung und christlich-evangelikalem Gottesdienst derart verschwimmen lassen.

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Den Höhepunkt der Veranstaltung lieferte Erika Kirk, die Witwe des Ermordeten. Unter Tränen verlas sie das berühmte Jesus-Zitat aus dem Lukas-Evangelium ("Vater, vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun"), um sich dann unter Tränen an den mutmaßlichen 22-jährigen Mörder ihres Mannes zu richten: "Ich vergebe ihm, weil Christus es getan hat." Tosender Applaus.

Nicht alle Reden blieben derart versöhnlich. Unvergessen der Auftritt des erzkonservativen Podcasters Jack Posobiec, der, den Rosenkranz in der linken Hand in Richtung der Stadiondecke reckend, erklärte, "die Linken, die Medien und die Demokraten" seien Schuld am Tod Charlie Kirks. Wie im Rausch rief er die Menge auf, "die volle Rüstung Gottes anzulegen", um "ihr Übel zu besiegen und dafür sorgen, dass sie den Namen Charlie Kirk niemals vergessen".

Die Sprache zeichnete ein Bild von Gut und Böse

Derartige Rhetorik von einzelnen Evangelikalen ist in den USA grundsätzlich nicht neu. Dass sich jedoch gleich mehrere hochrangige Regierungsmitglieder nicht nur daran beteiligen, sondern diese Sprache entscheidend mittragen, hat es in dieser Form noch nicht gegeben.

Memorial service for slain conservative commentator Charlie Kirk, in Glendale

Jack Posobiec, ein erzkonservativer Aktivist und Podcaster, forderte das Publikum in einer angriffigen Rede dazu auf, 

Vizepräsident J. D. Vance verlieh seinem engen Freund Kirk testamentarische Bedeutung als "Märtyrer für den christlichen Glauben". Außenminister Marco Rubio zitierte Bibelverse über die Auferstehung und attestierte dem Ermordeten ein ewiges Leben. Verteidigungsminister Pete Hegseth sprach von der reinigenden Kraft des Blutes Jesu und sagte: "Wir brauchen weniger Staat. Wir brauchen viel mehr Gott."

Alle drei Männer waren in der Vergangenheit noch nicht so gläubig aufgetreten. Nun buhlen sie offen um die evangelikale Wählerbasis. Selbst Vance, der im Wahlkampf an der Seite Trumps durchaus bei christlichen Wählern punkten konnte, gab zu: „Ich habe in zwei Wochen mehr über Jesus Christus gesprochen als während meiner gesamten Zeit im öffentlichen Dienst.“

Vor allem aber instrumentalisiert die Trump-Regierung die Ermordung Kirks, um damit harte Maßnahmen gegen ihre politischen Gegner zu rechtfertigen. Den deutlichsten Hinweis darauf gab Stephen Miller, als stellvertretender Stabschef immerhin einer der wichtigsten Berater von US-Präsident Donald Trump.

Memorial for late political activist Charlie Kirk in Glendale, Arizona

Stephen Miller, einer der wichtigsten Berater des US-Präsidenten, richtete den "Feinden" der Regierung aus: "Ihr habt Charlie unsterblich gemacht."

„Ihr dachtet, ihr konntet Charlie Kirk töten, aber ihr habt ihn unsterblich gemacht“, richtete Miller den „Feinden“ der Regierung aus, bevor er ein klassisches Bild von Gut und Böse zeichnete: „Ihr habt nichts zu bieten,  außer Bitterkeit. Wir haben Schönheit, Licht, Güte, Entschlossenheit und  Stärke.“

Trump offenbart die Wahl-Show

Einzig der US-Präsident hielt sich nicht an den von seinen Begleitern vorgelebten Pathos. Donald Trump schritt zu keinem Gospel-Song auf die Bühne, sondern zu  „God bless the U.S.A.“, derselben kitschig-patriotischen Hymne, die seine Wahlkampfauftritte seit Jahren ankündigt.

Auch seine Rede wich vom zuvor gebauten Bild ab. Er bezeichnete Charlie Kirk als „amerikanischen Märtyrer“, nicht als christlichen. Den längsten Teil widmete er ohnehin anderen Themen: Den „lügenden“ Medien im Land und der offenbar bevorstehenden Versetzung der Nationalgarde nach Chicago.

Trump schien außerordentlich gefasst, streute immer wieder lockere Anekdoten und Scherze ein. Klarer hätte er kaum signalisieren können, dass dieser Abend für ihn eine Wahlkampfveranstaltung war; ein Mittel zum Zweck für seine Regierung, Einigkeit gegen ihre Widersacher zu demonstrieren.

Mit einem erfrischend ehrlichen Satz brachte Trump auf den Punkt, worum es an diesem Abend wirklich ging: „Ich hasse meine Gegner, und ich wünsche ihnen keinesfalls das Beste, tut mir leid“, sagte er grinsend zu Erika Kirk. Dann nahm er die Witwe auf der Bühne in den Arm – wohl wissend, dass er damit das Bild des Tages produzierte.

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