Königsmacher AfD
Bisher war die Antwort auf die Frage klar: Kooperation, auf keinen Fall, hieß es kollektiv aus allen Parteien mit Verweis auf die eigene Geschichte. Höcke steht in den nächsten Tagen vor Gericht, weil er Wahlkampf mit einer SA-Losung gemacht hatte; er darf laut Gerichtsbeschluss sogar „Faschist“ genannt werden.
Nur: Seit die AfD vor allem im Osten immer mehr an Terrain gewinnt, in Kommunalwahlen gewinnt, Bürgermeister und mittlerweile sogar einen Landrat stellt, bröckelt die selbst gebaute Brandmauer – vor allem bei der Union. Die hatte sich eigentlich selbst per Beschluss verordnet, weder mit der Linkspartei noch mit der AfD zu kooperieren. Seit die „Alternative“ aber in vier der fünf Ost-Bundesländer auf Platz eins liegt, in Thüringen sogar mit zwölf Prozentpunkte Vorsprung auf die CDU, verfällt man zunehmend in Ratlosigkeit: In drei dieser Länder wird nämlich kommenden Herbst gewählt, Regierungen werden dann wohl nur mit Duldung der AfD möglich sein.
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Zerreißprobe
Wie sehr es die Union innerlich zerreißt, sieht man am mäandernden Kurs des CDU-Parteichefs. Als Friedrich Merz 2021 sein Amt antrat, versprach er noch hochtrabend, dass sich mit seiner Politik die AfD-Stimmen halbieren würden, und den Landesverbänden im Osten drohte er gar Parteiausschlussverfahren an, sofern sie mit der AfD kooperieren würden. Da war es auch noch nicht lange her, dass die CDU mit der AfD in – natürlich – Thüringen den FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt hatte; ein Eklat, der Merz’ Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer schlussendlich das Amt kostete.
Allein: Merz’ Politik, die sich schrittweise inhaltlich und auch in der Tonlage der AfD annäherte, führte nicht zur Halbierung der Rechtsextremen, im Gegenteil – bundesweit wuchs die Partei von damals 15 auf nun 23 Prozent. Dass Merz in diesem Sommer dann auch noch die selbst erbaute Brandmauer – der Begriff stammt auch von ihm – einriss, indem er in einem TV-Interview zumindest regionale Kooperationen mit der AfD guthieß, brachte für viele das Fass zum Überlaufen: Der Gegenwind war so massiv, dass Merz sich „missverstanden“ fühlte.
Der Opfergestus
Nur: Die Debatte über das „Anstreifen“ an der AfD ignoriert, dass es längst Kooperationen gibt – in Thüringen gilt das nicht nur für die CDU. Das jetzt beschlossene Gesetz haben Union und AfD schon vor einer Woche im Haushaltsausschuss paktiert, auch bei einem Spielhallen-Gesetz haben CDU, FDP und AfD kürzlich kooperiert. Und selbst Linken-Ministerpräsident Ramelow hat die Rechtsextremen schon benutzt – als Mehrheitsbeschaffer für einen U-Ausschuss gegen die CDU.
Ein „Pakt mit dem Teufel“ ist die Zusammenarbeit mit der AfD somit eher dann, wenn der Rest der Republik sich daran stört. Für die AfD selbst läuft damit eigentlich alles so, wie sie will: Sie selbst ist das Opfer – und die Diskussion ein PR-Gewinn.
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