Cavaliere in ungewohnter Bedrängnis
Auf den Moment hat Marco Travaglio zwanzig Jahre gewartet. Erstmals kam es zu einer persönlichen Konfrontation mit Ex-Premier Silvio Berlusconi, der sich seinem schärfsten Kontrahenten bisher verweigert hatte. Schauplatz war die politische Talk-Show „Servizio pubblico“ im TV-Sender La7. Der dreistündige Schlagabtausch zwischen Berlusconi, Journalist Travaglio und Starmoderator Michele Santoro bescherte eine Rekordquote von neun Millionen Zusehern.
Hitzig wurde die Debatte nach einer freundlichen Aufwärmphase erst, als Marco Travaglio auf die Bühne trat. In gewohnt bissiger, spöttischer Manier konfrontierte er den 76-jährigen Cavaliere mit allen Vorwürfen, die ihm sonst in Italien niemand offen ins Gesicht sagt. Angefangen von Bunga-Bunga-Partys, Bestechungs- und Korruptionsprozessen, Ruby-Prozess, Mafia-Beziehungen, maßgeschneiderten Gesetzen und vorbestraften Parlamentariern kam alles auf das Tablett.
Die Kritik brachte Berlusconi in Bedrängnis. Keine Regierung habe soviel gegen die Mafia unternommen wie seine, versuchte er sich herauszureden. Angesprochen auf die italienische Anomalie, dass ein wegen Steuerbetrug verurteilter und in weitere Prozesse involvierter Spitzenpolitiker weiterhin kandidiert, konterte der Ex-Premier: Schuld seien die „linken Richter und Staatsanwälte“, die es in der Form in keinem anderen Land gebe. „Feministische und kommunistische“ Richterinnen seien auch dafür verantwortlich, dass er seiner Ex-Frau Veronica Lario täglich 200.000 Euro Unterhalt zahlen müsse.
Als Berlusconi Travaglio einen „professionellen Verleumder, der mit mir viel Geld verdiente“, schimpfte, konterte der Autor: „Wäre ich ein Krimineller, hätten sie mich zumindest als Senatspräsident ernannt, aber ich habe bisher noch kein Angebot erhalten.“
Alle anderen schuld
Der milliardenschwere Medientycoon wurde in der Sendung auch mit der dramatischen Wirtschaftslage konfrontiert. Der verzweifelte Tenor gekündigter Arbeiter und bankrotter Unternehmer: „Wir kommen mit unserem Gehalt nicht über die Runden.“ Berlusconi, der mit kurzen Unterbrechungen die letzten zehn Jahre regierte, schob die Verantwortung für die Krise 2011 von sich und kritisierte den scheidenden Premier Mario Monti. Dieser werde von einer „neidischen und kommunistischen Linken“ unterstützt, für die Wohlstand ein rotes Tuch sei. Einkommensschwache Familien verlören durch Steuerbelastungen und Erhöhungen bis zu 2500 Euro im Jahr. Berlusconi kritisierte wiederholt, dass Pierluigi Bersani und seine Mitte-links-Allianz nach den Wahlen ein Bündnis mit Monti eingehen werde. Laut Umfragen liegt Bersani mit 34 Prozent weit vor Berlusconi (25 Prozent) und Monti (14 Prozent).
Kommentare