Das große Erklären am Tag nach der Wahl

Schulz und Nahles
Die SPD kämpft gegen GroKo-Gerüchte und mit ihrem Neustart. Die Weichen für Jamaika-Gespräche sind gestellt, nur die Schwesternpartei in Bayern könnte Merkel Schwierigkeiten machen.

Aufgeräumt wird am Tag nach der Wahl vor dem Willy-Brandt-Haus draußen, und drinnen, dort ist Martin Schulz bemüht, Scherben wegzukehren. Er räumt Fehler ein, die aber auch von seinen Vorgängern begangen wurden. "Wir haben die Niederlagen von 2009 und 2013 nicht hinreichend aufgearbeitet." Diese Fehler dürfen wir nicht mehr wiederholen. Personell bestätigt er Veränderung. Arbeitsministerin Andrea Nahles soll die Fraktion in der Opposition führen. Warum er sich nicht darum bemühte? Er habe sich als Kanzlerkandidat beworben, nicht als Fraktionschef, so Schulz ausweichend. Dass Nahles Wahl auf interne Kritik stößt und von einigen am Mittwoch verhindert werden soll, dementiert er nicht: "Mit der Fraktion werde ich schon noch reden", meinte er salopp. Redebedarf mit Angela Merkel sieht er nicht, auch ein Gesprächsangebot von ihrer Seite würde wenig Sinn machen: "Das hat sie ja gestern gesehen." Schulz spielt auf die Fernsehrunde am Sonntag an, in der er sie attackierte.

Gerüchte, dass die SPD im Falle des Scheiterns von Jamaika auf Neuwahlen spekuliert und sich als "Juniorpartner" anbietet, weist er zurück. "Schameika", wie er im rheinischen Sing-Sang betont, "wird nicht scheitern." Und: "Wir wollen nicht eine Regierung ablösen und dann mit ihr zusammenarbeiten." Auf die Frage, ob er hier und jetzt öffentlich ausschließen kann, dass er nie Minister wird in einer von Merkel-geführten Regierung, sagt er knapp "Ja" und verlässt die Bühne.

Auf einer anderen, im Konrad-Adenauer-Haus, muss sich die Kanzlerin erklären. Man habe analysiert, "ohne die Situation schönzureden", sagt sie – nur 1949 war man schlechter als am Sonntag. Dass die SPD auf Neuwahlen spekuliert, wenn die CDU Jamaika nicht schafft, kommentiert sie so: "Jedes Spekulieren über eine Neuwahlen ist eine Missachtung des Wählervotums", so Merkel zum Schluss ihres Auftritts. Ob das für die jeweiligen Spekulanten einen Fortschritt bedeuten würde, na, das wisse sie nicht.

Abwarten

Bis zu den Wahlen in Niedersachsen, am 15. Oktober, wird es ohnehin keine Entscheidung geben. Denn vor allem die CDU will sich mit konfliktträchtigen Entscheidungen dort nichts verbauen, schließlich könnte sie dort den SPD-Ministerpräsidenten ablösen und ihre bröckelnde Machtbasis ausbauen.

Zudem gilt es abzuwarten, wie sich die CSU positioniert. Denn Merkel wird in den Sondierungsgesprächen weniger Sorgen mit Grünen und FDP haben als mit der CSU (siehe unten). Diese könnte nun Druck machen mit Forderungen. Dass sie den Innenminister stellen wird, ist quasi ausgemacht. Wiederum gut für Merkel, denn innenpolitisches Chaos geht dann nicht auf ihre Kappe. Ob sie letztlich den Finanzminister an die FDP abgibt, wird ein Knackpunkt. An Brüssel wäre es ein schlechtes Signal.

Apropos Liberale. Christian Lindner ist an diesem Tag der einzige, der lachen kann. Er posiert lange für die Fotografen und feiert das Comeback seiner Partei. Die FDP ist bereit für eine Regierungsbeteiligung, allerdings nicht um jeden Preis.

Eine Handvoll Anrufe habe er schon bekommen, sagt Lindner. "Wie viele, fünf?", fragt ein Reporter. Lindner grinst, schweigt und genießt. Man will abwarten, "die anderen Parteien müssen das Ergebnis erst verkraften." Auch die Grünen müssen sich überlegen, wie sie es ihren Wählern erklären, dass sie nun mit denen zusammenarbeiten wollen, die sie als "Menschenfeinde" bezeichneten, ergänzt Parteikollege Wolfgang Kubicki.

Dass die Ökos Lust aufs Regieren haben, machen sie ein paar Stunden später deutlich. Sie seien vorbereitet und warten auf einen Anruf der Union, verkündet Grünen-Chef Cem Özdemir.

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