Bürgerrechtler Orlow: Russland ist große Gefahr für Europa

Oleg Orlov, head of human rights watchdog group "Memorial", speaks during an interview at his office in Moscow in this September 19, 2012 file photo. At the height of the uprising by pro-Russian rebels in eastern Ukraine in the summer of 2014, a handful of human rights workers recorded that Russian soldiers had been killed on the battlefield, even though the Kremlin said its troops were never there. It was typical work for activists from the group Memorial, which has emerged since the fall of the Soviet Union as Russia's most important human rights organization mainly by taking notes. Memorial was founded by Soviet-era dissidents to document the historical crimes of the Communist dictatorship's Gulag. It came into its own during two wars in Chechnya in the 1990s and early 2000s, when it sent teams of researchers into the conflict zone, documenting the disappearances of civilians whose cases would otherwise have gone unrecorded. To match story RUSSIA-RIGHTS/MEMORIAL REUTERS/Maxim Shemetov/Files (RUSSIA - Tags: MILITARY POLITICS SOCIETY CONFLICT)
Ein Sieg Putins führe zu einer Stabilisierung des Regimes, so Orlow.

Der prominente russische Bürgerrechtler Oleg Orlow plädiert für eine umfassende Unterstützung der Ukraine zur Abwehr des von Moskau aufgezwungenen Krieges. "Man muss der Ukraine unbedingt helfen, denn eine Niederlage hätte schreckliche Folgen für sie wie auch für mein Land", sagte der im Exil lebende Mitbegründer der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Der 71-Jährige mahnte die europäischen Länder, sich nicht vom russischen Präsidenten Wladimir Putin einschüchtern zu lassen. "Wenn Ihr in Europa den Aggressor besänftigen wollt, werdet Ihr an Euren Grenzen ein schreckliches, brutales, aggressives Imperium haben. Ich verstehe die Politiker in Europa nicht, die das nicht verstehen."

Seinen Gesprächen in Deutschland nach zu urteilen sehe ein Teil der Politiker die Gefahr, sagte Orlow. "Aber es gibt auch Kräfte, die um ihrer Wähler willen, um ihrer Mandate im Bundestag willen zu Kompromissen bereit sind, die zu einer Katastrophe führen werden."

Orlow war wegen seiner Proteste gegen den Krieg im Februar in Moskau zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Er kam aber im August bei einem Gefangenenaustausch zwischen Russland und dem Westen frei.

Russlands demokratische Opposition ist sich zwar in der Ablehnung des Krieges einig, es gibt aber unterschiedliche Sichtweisen zur Ukraine. So sah Julia Nawalnaja, Witwe des in Haft umgekommenen Kremlkritikers Alexej Nawalny, in einem "Zeit"-Interview westliche Waffenlieferungen kritisch, weil diese Bomben auch Menschen in Russland treffen.

In der Unterstützung für die Ukraine und einer möglichen Niederlage Moskaus liege die wichtigste Chance für eine künftige Demokratisierung Russlands, sagte Orlow. "Ich kann nicht sagen, dass dies hundertprozentig zu einem Sturz von Putins Regime führen wird. Aber sein Sieg führt hundertprozentig zu einer Stabilisierung des Regimes und dazu, dass nach Putin wieder Putin kommt."

Es lasse sich deshalb nicht sagen, was taktisch wichtiger sei: "Im Kampf gegen den Krieg wird Putin bekämpft und im Kampf gegen Putin der Krieg. Das ist untrennbar verbunden", sagte Orlow. Für den 17. November hat die russische Opposition im Exil zu einer Anti-Kriegs-Demo in Berlin aufgerufen. Dafür sind neben Nawalnaja auch die Kremlkritiker Ilja Jaschin und Wladimir Kara-Mursa als Redner angekündigt.

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