Keine Rede von Kaffeekochen oder Sandwich-Brote holen. "Da wird selbstständiges Arbeiten verlangt", schildert Thomas, angehender Doktor der Philosophie. Seine Aufgabe: Eine EU-Infomationsbroschüre für Schüler aus dem hier üblichen Beamtensprech so umzuformulieren und attraktiv zu machen, dass sie auch gelesen wird.
Die europäische Hauptstadt der Praktikanten – sie heißt Brüssel. Zu jeder Zeit befinden sich an die 8.000 von ihnen in der Stadt. Manche bleiben ein paar Wochen, die meisten vier bis sechs Monate. Als Sitz der EU-Institutionen, der NATO, unzähliger Lobbyverbände, Think-Tanks, Landesvertretungen und Botschaften bietet Brüssel Tausenden jungen Menschen das, was einmal ein Sprungbrett für eine spätere Karriere sei kann: Erfahrung sammeln – und das mitten im Zentrum der europäischen Politik.
Schon das Aufnahmeverfahren für ein Praktikum war eine Herausforderung: 7.000 Bewerber gibt es für die halbjährlich vergebenen 600 Praktikumsstellen in der Kommission.
Aufwändige Tests sind zu bestehen, ebenso mehrere Interviews – ehe es auch für die Niederländerin grünes Licht gab. Mit dem absolvierten „Stage“ in der Tasche geht die 22-jährige Masterin der „public administration“ demnächst in ein Bewerbungsgespräch.: „Wenn es klappt, habe ich für die nächsten zwei Jahre einen Job in Den Haag“, strahlt Lotte.
Teures Leben in Brüssel
Mit einem Monatslohn von rund 1.200 Euro finden die Praktikanten in der Kommission ein besseres Auskommen als die meisten andern „interns“ in der Stadt. Das Leben in Brüssel ist teuer – deutlich teurer als in Wien – ein Zimmer in einer WG kaum unter 500 Euro zu haben. Abgeordnete zum EU-Parlament können selbst festlegen, wie viel sie ihren Praktikanten zahlen, meist sind es zwischen 700 und 1.000 Euro pro Monat.
Nicht zuletzt einem österreichischen Studenten ist es zu verdanken, dass nun auch Praktikanten beim EU-Auswärtigen Dienst bezahlt werden. Erfahrung zu sammeln sei genug, hatte man dem jungen Mann zu verstehen gegeben.
Worauf dieser sich bei der EU-Ombudsfrau Emily O’Reilly beschwerte: Und sie gab dem jungen Österreicher Recht: Wenn nur Studenten ein Praktikum in Brüssel machen können, deren Eltern reich genug sind, für Unterhalt zu zahlen, widerspreche dies dem Gleichheitsgrundsatz der EU. Seither wird bezahlt.
Auf Brüssels Place Luxemburg, direkt vor dem EU-Parament, wo jeden Donnerstag Nacht gefühlt alle Praktikanten der Stadt zum Feiern zusammenströmen, haben sich indessen auch Eduarda und Simona eingefunden. Die beiden Freundinnen aus Amstetten haben auch gemeinsam Praktikantenjobs bei der Niederösterreichischen Landesvertretung ergattert. So nah am politischen Geschehen sei sie noch nie gewesen, schildert di e 20-jährige Politikstudentin Eduarda.
Und Simona pflichtet bei : „Man kann hier so leicht Kontakte knüpfen, bei Veranstaltungen dabei sein und ist bei allen Entwicklungen am letzten Stand.“
Jeden Abend finden in Brüssel zahlreiche Vorträge. Empfänge und Diskussionen statt. Wer will, schafft es meistens hinein – und kann Brüssels wichtigstem Nebenjob nachgehen: Kontakte knüpfen. Dieses Wissen nimmt jeder Praktikant mit nach Hause: In Brüssel wird nur etwas, wer über ein sorgsam gewebtes Netz aus Kontakten verfügt.
Markus hat das sofort verstanden: Der 19-jährige Salzburger ist eifrig dabei, beim Kontakte knüpfen. Er absolviert seinen Zivildienst in Brüssel – und liebt die vielen verschiedenen Menschen aus den vielen Ländern aus Europas, die vielen Sprachen, besonders aber das „Frankophone“.
Wenn er Brüssel demnächst wieder verlassen wird und die nächste Runde an Praktikanten eintrifft, hat Kathrin die erste Stufe ihrer künftigen Karriere wohl schon genommen. Die junge Deutsche wurde als eine der brillantesten Stagiaries der Kommission in das sogenannte „Junior Professional Programm“ aufgenommen – nicht ohne eine weitere, extrem anspruchsvolle Prüfung, versteht sich. „Ich liebe die internationale Umgebung hier“ sagt sie, „und ich glaube auch an das Projekt EU – auch wenn sie zuweilen sehr ineffizient sein kann. Aber für mich macht es Sinn, hier zu sein.“
Thomas hingegen sieht seine berufliche Zukunft nicht innerhalb der EU-Kommission. „Zu hierarchisch, zu streng strukturiert“, erlebt er die Institution, obgleich er die Erfahrung nicht missen möchte, die „Hüterin der Gesetze“ von innen erlebt zu haben.
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