Unterhaus stimmt heute ab: Ist Mays Deal noch zu retten?
Das britische Unterhaus hat die Kontrolle über den Brexit-Prozess übernommen. In einer Reihe von Abstimmungen sollen am Mittwoch Wege aus dem Chaos gefunden werden. Bisher kommt nach Einschätzung von Abgeordneten kein einzelner Brexit-Vorschlag auf eine ausreichende Mehrheit. Im Folgenden eine Übersicht was heute im Parlament passieren wird.
Wie stimmen die Abgeordneten ab?
Parlamentspräsidenten John Bercow lagen am Mittwoch insgesamt 16 Anträge von Abgeordneten vor. Bercow wählt zunächst aus, welche davon er am Abend zur Abstimmung stellt.
Neben jedem Vorschlag dürfen die Abgeordneten ankreuzen, ob sie dafür oder dagegen sind. Sie können ihre Stimme dabei bei so viele Vorschlägen abgeben, wie sie wollen. Die Debatte soll bis 20.00 Uhr (MEZ) dauern, anschließend haben die Parlamentarier 30 Minuten Zeit für ihr Votum. Die Ergebnisse werden gegen 22.00 Uhr erwartet.
Dazu dürften Vorschläge über die Ausgestaltung der künftigen Handelsbeziehungen zur EU und zu einem zweiten Referendum gehören. Ziel ist es herauszufinden, welche Vorlagen im Unterhaus mehrheitsfähig sind.
Welche Optionen liegen auf dem Tisch?
Unter anderem handelt es sich um folgende Vorschläge:
A: Eine verfassungsgemäße und rechenschaftspflichtige Regierung.
B: Austritt aus der EU ohne Folgeabkommen.
C: Einseitiges Recht, die Irland-Notfallklausel zu verlassen.
D: Binnenmarkt 2.0, ein erweitertes Abkommen nach dem Vorbild Norwegens, das die Mitgliedschaft im Binnenmarkt sowie ein Zollabkommen mit der EU umfasst.
E: Ergebnis des Referendums respektieren.
F: Ein internationales Handelsabkommen, das es Großbritannien ermöglicht, nach dem Brexit eine Zollunion mit der EU zu bilden.
G: Den Rückzug des Austrittsgesuchs nach Artikel 50, wenn das Parlament nicht spätestens vier Tage vor Ablauf der Frist das Austrittsabkommen ratifiziert.
H: Anhaltende Mitgliedschaft Großbritanniens im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und ein Antrag, der europäischen Freihandelsassoziation EFTA wieder beizutreten, der derzeit die Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein angehören.
I: Schreibt der britischen Regierung vor, vor einem Brexit auch die Zustimmung des schottischen und walisischen Parlaments zu sichern.
J: Ein Brexit-Abkommen, das mindestens eine Verpflichtung enthält, eine dauerhafte und umfassende Zollunion des Vereinigten Königreiches mit der EU auszuhandeln.
K: Plan der oppositionellen Labour-Partei, der eine enge wirtschaftliche Anbindung an die EU einschließlich einer umfassenden Zollunion und einer engen Anbindung an den Binnenmarkt vorsieht.
L: Den Rückzug des Austrittsgesuchs nach Artikel 50, wenn das Parlament nicht einwilligt, die EU auch ohne Abkommen zu verlassen.
M: Eine Volksabstimmung über den Brexit-Vertrag, bevor dieser vom Parlament ratifiziert wird.
N: Malthouse-Kompromiss-Plan A: Stark an Mays Abkommen angelehnt, ersetzt aber Irland-Notfalllösung mit einer Regelung, die auf einem Freihandelsabkommen ohne Zöllen basiert und auf technische Lösungen setzt, mit denen Kontrollen abseits der Grenze ermöglicht werden.
Wie geht es danach weiter?
Die Vorschläge, die im Unterhaus die größte Unterstützung bekommen, sollen voraussichtlich am Montag erneut ins Plenum kommen. Damit sollen die Optionen weiter eingeschränkt werden. Die Regierung ist rechtlich nicht dazu verpflichtet, sich an den so gefundenen Vorschlag des Parlaments zu halten. May hat bereits erklärt, sie werde nichts umsetzen, was keine Erfolgsaussichten bei Verhandlungen mit der EU hätte oder ihren Wahlversprechen von 2017 widerspreche.
Nimmt das Unterhaus den Brexit-Vertrag von May doch noch an, wird der EU-Austritt des Landes auf den 22. Mai verschoben. Ohne einen Beschluss müsste London die EU bis zum 12. April über das weitere Vorgehen informieren. Konkret geht es um die Entscheidung, ob das Vereinigte Königreich an der Europawahl Ende Mai teilnimmt oder nicht. Bei einer Teilnahme müsste das Austrittsdatum noch einmal verschoben werden.
Hat das Parlament diesen Weg schon einmal gewählt?
Ja. 2003 hatten die Parlamentarier über sieben Vorschläge zu einer Reform des Oberhauses abgestimmt, des House of Lords. Keine der Optionen hat jedoch eine Mehrheit gefunden.
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