Britische Gefängnisse sind übervoll: Tausende Insassen werden vorzeitig entlassen

Ein Schild mit der Aufschrift „Welcome to HM Prison Wandsworth“ und eine Überwachungskamera.
Die Gefängnisse in Großbritannien sind zu 98 Prozent belegt. Beginnend mit September werden in den kommenden 18 Monaten die Haftstrafen von insgesamt 5.500 Häftlingen frühzeitig beendet.

Bröckelige, verschmutzte, überfüllte und teils von Ratten befallen Zellen. Gefängniszellen, die bei der Eröffnung der Haftanstalt im Jahr 1851 als Einzelzellen gedacht waren und die sich Insassen derzeit aber teilen müssen. Insassen, die in der Folge gewalttätig werden, sich und andere häufiger verletzen. 

Der Zustand im Londoner Gefängnis Wandsworth (in dem Oscar Wilde, Boris Becker oder Julian Assange Haftstrafen absaßen) ist „unmenschlich“ und für Häftlinge „nicht sicher“. Zu dem Schluss kommt der unabhängige Überwachungsausschuss des Südlondoner Gefängnisses in einem Bericht am Donnerstag. 

Außenansicht des HM Prison Wandsworth mit einem Schild, das „Welcome to HM Prison Wandsworth“ sagt.

Doch die Häftlinge können nicht verlegt werden. Denn derzeit befinden sich rund 87.500 Häftlinge in den 141 Gefängnissen des Landes. Damit sind die Anstalten zu 98 Prozent gefüllt und würden innerhalb von Wochen komplett ausgelastet sein.

Diese Warnung kam sogar noch vor den Krawallen Anfang August, im Zuge derer noch einmal mehr als 1.000 Personen festgenommen wurden. 

Totaler Zusammenbruch droht

Die neue Justizministerin Shabana Mahmood hat deshalb die Reißleine gezogen: Anfang September werden tausende Häftlinge vorzeitig entlassen. Wohl wissend, dass ihre Entscheidung auf wenig Zustimmung in der Bevölkerung stoßen wird, warnte sie, dass es andernfalls zum „totalen Zusammenbruch“ des Gefängnissystems und einem „totalen Zusammenbruch von Recht und Ordnung“ kommen würde. 

Eine Frau mit dunklen Haaren und Blazer hält einen blauen Ordner in der Hand.

Der Plan sieht vor, dass in den kommenden 18 Monaten etwa 5.500 Häftlinge entlassen werden, die 40 (und nicht wie derzeit 50) Prozent ihrer Haftstrafe abgesessen haben. Ausgenommen sind jene, die für Sexual-, oder schwere Gewaltdelikte hinter Gitter sitzen. Oder jene, die wegen wegen häuslicher Gewalt inhaftiert wurden.

Frau von frühzeitig Entlassenem ermordet

Aber kann das gut gehen? Die Tante der ermordeten Juristin Zara Aleena hat gegenüber der BBC die Pläne bereits als „gefährliches Spiel mit der öffentlichen Sicherheit“ gebrandmarkt. Die 35-jährige Zara Aleena wurde im Juni 2022 vom Ex-Häftling Jordan McSweeney neun Tage nach seiner Entlassung ermordet. Er war zu dem Zeitpunkt bereits zurück ins Gefängnis gerufen worden, weil er sich nicht mit Bewährungshelfern getroffen hatte.

Tom Tugendhat, der konservative Schatten-Justizminister, kritisierte die Maßnahme ebenfalls auf X: „In welcher Welt ist es eine gute Idee, 20.000 Kriminelle auf unsere Straßen zu entlassen?“ 

Ein Mann mit Brille und dunklem Mantel geht die Straße entlang.

Und doch ist das ein wenig zynisch, denn der frühere konservative Justizminister Alex Chalk hatte im März Pläne ähnliche Pläne zur vorzeitigen Entlassung von Häftlingen angekündigt.

Shabana Mahmood spielte den Ball jedenfalls zurück an die vorherige Regierung. Sie hätten eine „schändliche Pflichtverletzung“ begangen, weil sie die Krise während ihrer Regierungszeit nicht in den Griff bekommen hätten.

An dem Plan wird also festgehalten. 

Gleichzeitig versucht das Justizministerium ähnliche Situationen in der Zukunft zu vermeiden. Es werden derzeit bereits sechs neue Gefängnisse mit insgesamt 20.000 Haftplätzen geschaffen. 10.000 davon sollen bis Ende 2025 zur Verfügung stehen.

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