Britische Bremser werden von der EU ausgebremst
"No. No. No": Der britische Verteidigungsminister Michael Fallon zieht rote Linien. "Wir werden weiter jedes Vorhaben einer europäischen Armee oder eines EU-Hauptquartiers ablehnen", sagte er am Dienstag beim Treffen der Verteidigungsminister in Bratislava.
Das klingt nach Totalblockade des Inselreiches, das in gut zwei Jahren die EU verlassen will. Manche in Brüssel befürchten schon, die Briten werden vor ihrem Abschied EU-Beschlüsse torpedieren, wo sie nur können.
Stefan Lehne, Experte des renommierten Think Tank "Carnegie Europe", gibt Entwarnung: "Wenn Großbritannien zukünftig ein kooperatives Verhältnis mit der EU will, dann ist Destruktion der schlechteste Weg, dorthin zu kommen", sagt er zum KURIER.
Destruktion "unwahrscheinlich"
Lehne ist ein profunder Kenner britischer Politik und geht davon aus, dass es "a priori nicht im Interesse Londons ist, EU-Entscheidungen zu blockieren". Für den Fall allerdings, dass es bei den Verhandlungen über den Austritt für die Briten ganz schlecht läuft, schließt er nicht aus, dass Großbritannien eine destruktive Strategie wählt und versucht, die EU in Geiselhaft zu nehmen. "Das ist möglich, aber sehr unwahrscheinlich."
Verhandlungstechnisch ist Großbritannien in einer schlechten Position. Artikel 50 des EU-Vertrages, der die Scheidung regelt, gibt den Briten ab Einreichen des Austrittsansuchens zwei Jahre Zeit für Verhandlungen. Verstreicht diese Friste ohne Ergebnis fliegt Britannien automatisch aus der EU.
Theoretisch gibt es nur einen Bereich, den London sabotieren kann: Der mehrjährige Finanzrahmen (2020–2025), der einstimmig beschlossen werden muss, und der bereits verhandelt wird. Hier gibt es für die EU einen Ausweg: Blockieren die Briten das milliardenschwere Budget, können die EU-Staaten darüber auch nach dem Briten-Austritt Ende 2019 entscheiden. Da die Regierung in London, wie angekündigt, den Austritt Anfang 2017 beantragen will, gibt es keine Hektik.
Briten könnten überstimmt werden
In anderen Bereichen (zum Beispiel Binnenmarkt, Energieunion) gilt für die Beschlussfassung die qualifizierte Mehrheit, die Briten können jederzeit überstimmt werden. Und bei der Währungsunion, Schengen, Justiz und der inneren Sicherheit spielen die Briten nicht mit, sie haben in all diesen Punkten Ausnahmeregelungen und somit kein Stimmrecht.
Das dürfte künftig auch für die Verteidigung gelten. Denn: Die EU-Staaten, allen voran Deutschland, Frankreich und Italien, werden eine Möglichkeit im EU-Vertrag nützen, die es erlaubt, eine Staatengruppe zu bilden, die vorangeht, um die Verteidigungsunion mit dem EU-Hauptquartier aufzubauen. In den Artikeln 42 und 46 ist die sogenannte ständige strukturierte Zusammenarbeit vorgesehen. Nötig ist ein einmaliger Grundsatzbeschluss mit qualifizierter Mehrheit, London kann diesen alleine nicht verhindern. Und eine europäische Armee ist Zukunftsmusik. Das Aufbegehrens Londons ist so gesehen "viel Lärm um nichts", sagt ein Diplomat.
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