Brexit oder nicht Brexit - die Szenarien nach der Wahl
Vor der Wahl in Großbritannien ist nur eines klar: Wer auch immer gewinnt, Tories oder Labour, zäh wird es nach dem Urnengang auf alle Fälle. Vor allem was das bestimmende Thema dieser Tage angeht: Den Austritt des Landes aus der EU. Wird weiter gestrauchelt und gerungen? Gibt es eine Linie in Richtung Austritt? Ein neues Referendum? Die möglichen Szenarien:
Sieg Boris Johnsons
Schaffen es Boris Johnson und die Tories, die absolute Mehrheit im Parlament zu erringen, dürfte der Fahrplan einigermaßen stehen. Johnson setzte im Wahlkampf voll auf das Thema Brexit. Und er versprach, das Brexit-Gesetz noch vor Weihnachten durchs Parlament peitschen zu wollen. Damit würde Großbritannien mit 31. Dezember aus der EU austreten. Der Brexit wäre damit zumindest einmal formal vollzogen.
Die eigentlichen Probleme allerdings wären nur aufgeschoben. Denn nach dem Austritt geht es darum, dass Großbritannien seine Handelsbeziehungen mit der EU neu aufsetzt. Konkret ist es der Plan, ein Freihandelsabkommen zu verhandeln. Johnson will das bis Ende 2020 bewerkstelligen – was Experten auf EU-Seite sowie politische Gegner Johnsons allerdings für ausgeschlossen halten.
Johnson müsste also bis Sommer vermutlich in Brüssel um eine Verlängerung der Übergangsregelungen ansuchen. Das hat er aber ausgeschlossen. Das eigentliche Streitthema der vergangenen Jahre in Sachen Brexit wäre mit einem Sieg der Tories also auch im kommenden Jahr bestimmender Punkt: Akzeptiert Großbritannien weiter EU-Normen für einen gewissen Zeitraum (also die Dauer der Verhandlungen) oder verliert es den ungehinderten Zugang zum Binnenmarkt, was einem harten Brexit gleich käme.
Ein Sieg der Tories jedenfalls erscheint als die wahrscheinlichste Variante. In Umfragen lagen sie rund zehn Prozent vor Labour. Das britische Wahlsystem macht Vorhersagen aber schwer. Und der Knackpunkt ist die Absolute Mehrheit im Parlament, über die Johnson das Brexit-Gesetz durchpeitschen könnte.
Patt mit Vorteil für Labour
Schafft Johnson keine Absolute Mehrheit, hat Labour die besseren Karten. Eine Absolute Mehrheit für die Linken unter Parteichef Jeremy Corbyn scheint ausgeschlossen. Aber Labour hat eines, was die Tories nicht haben: Mögliche Verbündete im Parlament. Sämtliche Kleinparteien haben einer Mehrheitsbeschaffung für die Tories bereits eine Absage erteilt. Selbst die nordirische DUP, die die Tory-Regierung seit 2017 stützt, hat den Konservativen die Unterstützung in Zukunft untersagt. Sie fühlt sich von Johnson verraten.
Die Liberaldemokraten, die Grünen sowie die schottischen und walisischen Nationalisten können sich hingegen eine Unterstützung für Labour vorstellen. Das Zünglein an der Waage wäre dabei wohl die schottische SNP, die erneut drittstärkste Fraktion im Parlament werden dürfte. Sie hat eine Koalition mit Labour zwar ausgeschlossen, kann sich eine Zusammenarbeit aber vorstellen. Bedingung: Ein neues Referendum über die schottische Unabhängigkeit. Corbyn hat sich dahingehend auch positiv geäußert.
Was die möglichen Kleinpartner von Labour eint: Sie alle sind Gegner des Brexit. Und wenn auch Corbyn selbst eine eher verwaschene Linie zu dem Thema gefahren war, so hat er seine Vorstellungen dahingehend skizziert: Im Falle einer Labour-Regierung will er das Austrittsabkommen neu verhandeln, um Großbritannien langfristig in einer Zollunion mit der EU zu halten. Das ausverhandelte Abkommen will Corbyn dann den Briten zur Abstimmung vorlegen. Mit der Alternativ-Option: Verbleib in der EU. All das soll rasch über die Bühne gehen: Binnen sechs Monaten.
Weiterwurschteln
Schafft es Labour allerdings nicht Unterstützer im Parlament zu finde, könnte Johnson auch versuchen mit einer Minderheitsregierung weiter zu machen. In diesem Fall würde wohl weiter gerungen wie bisher. Wie es in William Shakespeares Hamlet heißt: "Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode."
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