Brexit-Kompromiss: „Auch die EU muss sich jetzt bewegen“

Brexit-Kompromiss: „Auch die EU muss sich jetzt bewegen“
Sonst fehlen der EU 42 Milliarden Euro, warnt Ökonom Gabriel Felbermayr. Er schlägt einen "Zollverein" mit den Briten vor.

Der harte Brexit wäre zu vermeiden – aber nicht, ohne rote Linien zu überschreiten. „Alle müssten Federn lassen, auch die EU muss sich bewegen“, sagte Handelsexperte Gabriel Felbermayr am Montag bei einem Investmenttalk des Spängler IQAM Research Center.

Der Vorschlag des Oberösterreichers wäre eine Art „Zollverein“ – im Unterschied zur EU-Zollunion (wie mit der Türkei) behielten die Briten dabei nach dem Brexit ein Stimmrecht, wenn es um Handelsfragen in alleiniger EU-Kompetenz geht. Damit ginge der Vorwurf ins Leere, die Briten würden zur Zollkolonie.

Das Vereinigte Königreich dürfte dann allerdings keine eigenständigen Handelsverträge mit Drittstaaten aushandeln. Dass die EU stur auf alle vier Grundfreiheiten im Binnenmarkt beharrt, sei ein Politikum, keine ökonomische Notwendigkeit, sagt Felbermayr.

So hält er es für einen Fehler, dass die EU vor dem Referendum Premier David Cameron das Zugeständnis verweigert hatte, die Personenfreizügigkeit in Sonderfällen zu begrenzen.

Ein „Mordszerwürfnis“

Aber was hätte die EU von einem Einlenken? 42 Milliarden Euro. Der Beitrag, den die Briten im Austrittsvertrag zugesagt hatten, würde bei einem harten Brexit fehlen. Und bei diesem Zahlungsausfall wäre es mit der Geschlossenheit der EU rasch vorbei. „Das würde nicht nur das Verhältnis zu den Briten auf Jahre hinaus vergiften. Es würde auch EU-intern zu einem Mordszerwürfnis führen“, sagte Felbermayr, designierter Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, zum KURIER.

Der Brexit sei eine „große Katastrophe“ und werde die EU verändern. Der Anteil der Briten an der EU-Wirtschaftsleistung von 18 Prozent entspricht dem Gewicht der 19 kleinsten EU-Staaten (darunter ist auch Österreich).

Andere EU-Macht-Balance

Und auch die Machtverhältnisse in der EU verändern sich, weil die Stimmenbalance kippt. So büßt mit dem Brexit der „Norden“ (mit Deutschland, den Skandinaviern, Österreich) seine Sperrminorität ein, während der „Süden“ (Frankreich, Club Med) Entscheidungen blockieren könne. Womit die EU wohl „weniger marktwirtschaftlich, stärker zentralistisch“ werde.

So sehr sich die Brexit-Kampagne auch auf Lügen gestützt haben mag, eines stimmte: Die EU brachte den Briten weniger als den anderen Mitgliedern. Der Grund: Der EU-Binnenmarkt bietet Warenexporteuren wie Deutschland und Österreich mehr Vorteile als dienstleistungsorientierten Staaten.

Messbarer Schaden

Der Schaden durch das Brexit-Votum ist aber schon jetzt sichtbar. Es gab zwar keine Rezession, aber die Briten haben seit dem Referendum 2,5 Prozent an Wirtschaftsleitung eingebüßt (im Vergleich zu einem "Zwilling" ohne Brexit-Votum).

Das Pfund hat seit der Abstimmung 12 Prozent an Wert zum Euro eingebüßt und schwankt wesentlich stärker als davor. Und auch die Direkt-Investitionen sind aufgrund der Verunsicherung um ebenfalls 12 Prozent geringer.

Migranten gibt es in Großbritannien übrigens jetzt auch nicht weniger: Statt aus der EU kommen sie jetzt eben aus Pakistan oder von den Philippinen.

Kommentare