Brexit: „Im Grunde waren es Scheinverhandlungen“

Brexit: „Im Grunde waren es Scheinverhandlungen“
Nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen May und Corbyn sind Neuwahlen ein wahrscheinliches Szenario.

Die Gespräche zwischen der britischen Premierministerin Theresa May und Labour-Chef Jeremy Corbyn sind Geschichte. „Die Autorität der Regierung erodiert, wir zweifeln daran, dass sie fähig ist, irgendwelche Kompromisse einzugehen“, begründete Corbyn seinen Schritt, die Gespräche abzubrechen.

„Es war keine Überraschung, dass die Gespräche gescheitert sind, die Erwartungen waren sehr gering“, sagt die britische Politologin Melanie Sully im KURIER-Gespräch. „Jedenfalls haben May und Corbyn damit mehr Zeit gewonnen – ein Deal zwischen den beiden hätte in Wahrheit keinem geholfen. Im Grunde waren das Scheinverhandlungen“, fährt sie fort. Knapp vor den EU-Wahlen ist es wieder einmal fraglich, wie es in Großbritannien weitergeht. Beide Parteichefs sind in ihren Parteien umstritten, beide Parteien gespalten.

Wahlen im Herbst?

„Man rechnet mit Parlamentswahlen im Herbst und Labour rechnet mit Johnson als Nachfolger Mays. Ihre Tage sind gezählt“, sagt Sully. Die Premierministerin will Anfang Juni ihr mit der EU ausgehandeltes Abkommen über den Umweg eines Gesetzgebungsverfahrens erneut den Abgeordneten zur Abstimmung vorlegen. Auch diesmal droht ihr von einem großen Teil ihrer konservativen Fraktion massiver Gegenwind. Und auch die erhoffte Unterstützung von Labour dürfte nun ausbleiben.

Verliert sie es, wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zurücktreten. Dann wäre im Sommer der Kampf um ihre Nachfolge eröffnet. Von den bis zu 20 Kandidaten haben laut Sully drei Männer gute Chancen: „Boris Johnson, der ehemalige Brexit-Minister Dominic Raab und Michael Gove, der derzeit in der Regierung vertreten ist“, sagt sie. Im letzten Wahlgang in der Parlamentsfraktion der Tories werden zwei Kandidaten vorgestellt – wäre Johnson dort dabei, hat er große Chancen. Sully: „Falls er Parteichef wird, steht er vor riskanten Entscheidungen: Soll er es auf Neuwahlen ankommen lassen, die er verlieren könnte, oder soll er nach Brüssel gehen und dort das Abkommen noch einmal verhandeln?“

Mit der EU-Wahl werden auch in Brüssel die Karten neu gemischt – eventuell könnte Johnson bei Gesprächen mehr Erfolg haben, als May.

Wenn es zu Wahlen kommt, ist laut Sully die einzige Chance der Konservativen ein Pakt mit Nigel Farage, dessen Brexit-Partei derzeit rasant an Zulauf gewinnt. Laut einer YouGov-Umfrage zur EU-Wahl von Donnerstag führt seine Partei mit 35 Prozent – 19 Punkte vor den zweitplatzierten Liberalen. Labour ist mit 15 Prozent am dritten Platz, während die Tories mit peinlichen neun Prozent am fünften Platz hinter den Grünen liegen.

Das sei auch ein Dämpfer für die Befürworter eines zweiten Referendums: „Es kann sein, dass sie ihren Wunsch danach zurückziehen, denn seit dem starken Zuwachs der Brexit-Partei zweifeln sie, ob es nicht doch eine schweigende Mehrheit gibt, die den Austritt aus der EU will“, sagt Sully.

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