Regierung schickt Armee-Einheiten
Nach der Glitzer-Metropole Rio de Janeiro war diesmal die Industriestadt Sao Paulo das Epizentrum der Demonstrationen. 50.000, vor allem junge Menschen aus der Mittelklasse, waren gekommen.
Wobei ihre Motive unterschiedlich sind: Den meisten sind die elf Milliarden Euro, die Brasilien für die Durchführung der Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr aufbringt, viel zu viel. Sie sähen das Geld lieber in den Gesundheits- und Bildungssektor investiert. Andere verleihen ihrem Unmut über die explodierenden Lebensmittelpreise oder die horrenden Mieten Ausdruck. Wieder andere wettern gegen Korruption und klagen die Einhaltung der Menschenrechte ein. Geeint sind sie alle in ihrer tiefen Unzufriedenheit.
„Tropischer Frühling“
Wobei die Behörden den Demonstranten in jenem Punkt entgegengekommen sind, an dem sich die Proteste entzündet hatten: Bei der Tarif-Anhebung für Bus-Tickets. In mindestens fünf Städten soll diese wieder zurückgenommen werden. Ob das reichen wird, die Wogen zu glätten, ist fraglich. Die Sache hat eine gewisse Eigendynamik erhalten, eine junge Aktivistin sprach in Anlehnung an den „Arabischen Frühling“ schon vom „Tropischen Frühling“ (auch wenn in Brasilien gerade der Winter einzieht).
Staatspräsidentin Dilma Rousseff zeigte Verständnis für die Demonstrationen: „Die Stimmen der Straße müssen gehört werden“, sagte sie. Brasilien sei binnen zehn Jahren zur siebentgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen, weshalb die Bürger „ein Recht auf mehr haben“.
Rousseff begab sich nach Sao Paulo, um sich dort mit ihrem Amtsvorgänger und Mentor, Inacio Lula da Silva, zu beraten. Zugleich aber wurden Spezialkräfte der Streitkräfte in fünf Städte geschickt, wo derzeit der Fußball-Confederations Cup ausgetragen wird. Die Protestierenden nützen diese „Generalprobe“ für die WM, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen – teils auch gewalttätig, was bereits zu massiven Straßenschlachten mit der Polizei geführt hat. Die Regierung betonte aber, dass die Entsendung der Armee-Einheiten nichts mit den Kundgebungen zu tun hätte. Sie wäre auch ohne die Sozial-Revolten zum Einsatz gekommen – zur Sicherung der Sportveranstaltungen.
Während sich mehrere Spieler der brasilianischen Fußball-Nationalmannschaft und sogar deren Trainer Luiz Felipe Scolari solidarisch mit den jungen Demonstranten erklärten, erteilte der höchst umstrittene Präsident des Weltfußball-Verbandes, Joseph Blatter, diesen eine Abfuhr. Er könne zwar verstehen, dass „die Menschen nicht glücklich sind, aber ich denke, sie sollten den Fußball nicht dazu benutzen, um ihre Forderungen zu verkünden“. Auch Fußballstar Neymar unterstützt die Proteste.
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